Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachgewährung von Urlaub im Postdienst

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bestimmung des § 23 Abs 17 Satz 1 Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955, nach der ein Arbeiter seine im Urlaub aufgetretene Erkrankung unverzüglich anzeigen muß, wenn er erreichen will, daß die Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaub angerechnet werden, ist auch insoweit wirksam, wie die Anzeigepflicht sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht.

 

Normenkette

TVG § 1; BUrlG § 9; BGB § 121; BUrlG § 13; LFZG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 22.10.1986; Aktenzeichen 5 Sa 123/85)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 21.08.1985; Aktenzeichen 14 Ca 57/85)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1966 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:

"§ 23

Erholungsurlaub

(1) Der Arbeiter erhält in jedem Urlaubsjahr

einen Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist der

Zeitraum vom 1. April bis 31. März.

.....

(10) Der Urlaub ist in dem Urlaubsjahr zu gewähren

und zu nehmen, für das der Urlaubsanspruch

entsteht. Urlaub, der im Urlaubsjahr

nicht oder nicht voll gewährt oder genommen

wurde, ist spätestens bis zum 30. Juni des

nächsten Urlaubsjahres anzutreten. Ist dies

aus betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit

nicht möglich, verlängert sich

die Frist bis zum 30. September. Wird der Urlaub

während der Arbeitsunfähigkeit bis zum

30. September nicht angetreten, so ist er

nach Absatz 13 bar abzugelten.

.....

(13) Kann der Erholungsurlaub (einschließlich

Zusatzurlaub für Schwerbehinderte) wegen

Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz

oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so

ist er abzugelten. .....

.....

(17) Erkrankt der Arbeiter während des Urlaubs

und zeigt er dies unverzüglich an, so

werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen

Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den

Urlaub nicht angerechnet. Der durch die Unterbrechung

verbleibende Resturlaub ist nachzugewähren.

....."

Im Urlaubsjahr 1984/85 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 4. April bis zum 13. Mai 1984 31 Wochentage Erholungsurlaub. Diesen verbrachte der Kläger in seinem Heimatland, der Türkei. Nach Rückkehr, am 14. Mai 1984, teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei vom 9. April bis zum 13. Mai 1984 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er legte ein Attest des Arztes Dr. S H aus Cayiralan bei Yozgat/Türkei vor. In der deutschen Übersetzung des Attests heißt es:

"Attest

der ... Herr I C geboren am 05.03.

1932 ... ist am 09.04.1984 bei mir untersucht

worden. Und es wurde an der linken Hand am

Zeigefinger durch K T eine Quetschung

und Prellung festgestellt. Nach der

benötigten Behandlung wurde der Patient am

07.05.1984 zur weiteren Behandlung in das

Krankenhaus der Sozialversicherungsanstalt

nach Ankara in die chirurgische Abteilung

überwiesen."

Zu der vorgesehenen weiteren Behandlung im Krankenhaus Ankara hat der Kläger sich nicht begeben. Am 14. Mai 1984 wurde der Kläger von Dr. N in Hamburg wegen einer Verletzung am linken Zeigefinger krankgeschrieben. Der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit war der 5. Juni 1984.

Der Kläger hat verlangt, ihm 27 Werktage Erholungsurlaub nachzugewähren, weil er seit dem 9. April 1984 arbeitsunfähig krank gewesen sei, dies der Beklagten auf dem Postweg aus der Türkei mitgeteilt und außerdem seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich nach Rückkehr aus dem Urlaub der Beklagten angezeigt habe. Nachdem das Arbeitsverhältnis am 31. Juli 1986 beendet wurde, hat der Kläger Abgeltung des nachzugewährenden Urlaubs in unstreitiger Höhe begehrt. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.478,75

DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe seine während des Urlaubs eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen und nicht unverzüglich mitgeteilt. Die von dem Kläger behauptete schriftliche Mitteilung aus der Türkei sei bei ihr nicht eingegangen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung der 27 Werktage Urlaub aus dem Urlaubsjahr 1984/85.

I. Nach § 23 Abs. 13 Satz 1 TV Arb ist der Erholungsurlaub in bar abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann. Am 31. Juli 1986, als das Arbeitsverhältnis endete, stand dem Kläger ein Anspruch auf den Erholungsurlaub, dessen Abgeltung er begehrt, nicht zu.

II. Der Kläger macht zu Unrecht geltend, er sei vom 9. April bis 13. Mai 1984 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, weshalb ihm der für diese Zeit bewilligte Urlaub hätte nachgewährt werden müssen.

Nach § 23 Abs. 17 Satz 1 TV Arb werden, wenn der Arbeiter während des Urlaubs erkrankt und dies unverzüglich anzeigt, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Der durch die Unterbrechung verbleibende Resturlaub ist nachzugewähren. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Voraussetzungen für eine Nachgewährung von Urlaub nicht vorlagen. Der Kläger hat weder nachgewiesen, daß er während des Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt war, noch hat er dies unverzüglich der Beklagten angezeigt.

1. Die Bescheinigung des Dr. H enthält nicht den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Zwar kommt einer von einem ausländischen Arzt im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (§ 3 Abs. 1 LohnFG) im allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer von einem deutschen Arzt ausgestellten Bescheinigung. Die Bescheinigung muß aber erkennen lassen, daß der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat (BAGE 48, 115 = AP Nr. 4 zu § 3 LohnFG). Diese Voraussetzung erfüllt das Attest des Dr. H nicht. Aus ihm läßt sich nicht entnehmen, welche Folgen die Quetschung und die Prellung am linken Zeigefinger für die Arbeitsfähigkeit des Klägers hatten.

Auch hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, daß die ärztliche Bescheinigung des Dr. N vom 14. Mai 1984 nichts darüber aussagt, ob der Kläger in der vorangegangenen Zeit zwischen dem 9. April und dem 13. Mai 1984 arbeitsunfähig erkrankt war.

2. Der Kläger hat die Erkrankung auch nicht unverzüglich seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, angezeigt.

Diese nach § 23 Abs. 17 TV Arb erforderliche Anzeige ist Voraussetzung für die Nichtanrechnung der Krankheitstage auf den Urlaub und für die Nachgewährung des Urlaubs. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß dieses in § 9 BUrlG fehlende Anzeigeerfordernis in § 23 Abs. 17 TV Arb nicht nur für den Tarifurlaub, soweit dieser den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, sondern auch für den gesetzlichen Mindesturlaub selbst wirksam aufgestellt werden konnte. § 13 BUrlG steht dieser tariflichen Regelung nicht entgegen.

Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger seine Erkrankung nicht "unverzüglich" angezeigt hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht zur Auslegung dieses Begriffs die Legaldefinition des § 121 BGB herangezogen, wonach es darauf ankommt, daß der Verpflichtete "ohne schuldhaftes Zögern" gehandelt hat. Verwenden die Tarifvertragsparteien in einer Tarifnorm einen Begriff, dem in einem Gesetz eine bestimmte Bedeutung zukommt, so ist davon auszugehen, daß auch sie diesen Begriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung haben wiedergeben und angewendet wissen wollen (vgl. BAG Urteil vom 3. Mai 1984 - 6 AZR 555/81 - AP Nr. 17 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Der Kläger hat es aber an dem ihm obliegenden Vortrag (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl., § 121 Anm. 4) dafür fehlen lassen, daß sein Zögern nicht schuldhaft war. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Dr. Walz R. Schmidt

 

Fundstellen

DB 1988, 1555-1556 (LT1)

EEK, I/929 (ST1-2)

RdA 1988, 128

ZTR 1988, 262-263 (LT1)

AP § 9 BUrlG (LT1), Nr 9

EzA § 9 BUrlG, Nr 13 (LT1)

EzBAT § 47 BAT, Nr 8 (LT1)

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