Keine Auskunftspflicht gegenüber erfolglosen Stellenbewerbern, aber ratsam
Was war passiert?
Frau Galina Meister, Jahrgang 1961 und russischer Herkunft, hatte sich auf eine Stellenanzeige für „eine/n erfahrene/n Softwarenentwickler/-in“ beworben. Sie erfüllte die Qualifikationsvoraussetzungen für die Stelle, wurde aber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Gründe für die Nichtberücksichtigung wurden Frau Meister vom Arbeitgeber nicht mitgeteilt.
Frau Meister vermutete eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts, Alters und ihrer ethnischen Herkunft. Sie erhob Klage vor dem Arbeitsgericht gegen den Arbeitgeber und verlangte Schadenersatz wegen der vermeintlichen Diskriminierung und die Vorlage der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers um nachweisen zu können, dass sie besser qualifiziert sei als dieser.
Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht verlor Frau Meister. In der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde der Europäische Gerichtshof (EuGH) angerufen. Das BAG wollte vom EuGH wissen, ob die dem AGG zu Grunde liegende EU-Richtlinie dem ausreichend qualifizierten, aber nicht berücksichtigten Stellenbewerber einen Anspruch auf Auskunft gegen den Arbeitgeber über die Person des eingestellten Bewerbers gibt. Außerdem wollte das BAG wissen, ob die Verweigerung einer solchen Auskunft ein Indiz für eine Diskriminierung im Bewerbungsverfahren ist.
EuGH: Keine Auskunftspflicht, aber Schweigen kann dennoch nachteilig sein
Der EuGH hat die Fragen im Sinne eines klassischen „sowohl-als-auch“ beantwortet:
Wie bereits in der Kelly-Entscheidung (21.7.2011, C-104/10), auf die der EuGH Bezug nimmt, wird ein Auskunftsanspruch des unterlegenen Stellenbewerbers abgelehnt. Das Unionsrecht gibt Personen, die sich diskriminiert fühlen keine spezifische Möglichkeit der Einsichtnahme in Informationen, mit denen sie die vermeintliche Diskriminierung vor Gericht glaubhaft machen können.
Andererseits dürfe das von der Antidiskriminierungsrichtlinie verfolgte Ziel aber auch nicht beeinträchtigt werden. Dies gelte insbesondere bei der Frage, ob im Prozess genügend Indizien vorgetragen sind, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, gegebenenfalls auch die Verweigerung jeglicher Informationen durch den Arbeitgeber. Ob die vollständige Informationsverweigerung als Indiz für eine Diskriminierung herangezogen werden kann, müsse das nationale Gericht unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände prüfen.
Folgen für Frau Meister
Für Frau Meister bedeutet die Entscheidung noch keinen Sieg, aber eine im Vergleich zu den Vorinstanzen etwas erhöhte Erfolgsaussicht im Prozess. Das BAG wird nun darüber zu entscheiden haben, ob es „unter Berücksichtigung aller Umstände“ der vollständigen Informationsverweigerung des Arbeitgebers Indizwirkung zubilligt.
Folgen für deutsche Arbeitgeber
Der EuGH gibt den Arbeitgebern mit der Entscheidung (wieder einmal) Steine statt Brot. Zwar können Auskunftsverlangen von unterlegenen Stellenbewerbern mit Recht abgelehnt werden. Klagt der Bewerber dennoch wegen behaupteter Diskriminierung, kann diese Ablehnung aber möglicherweise als Indiz für eine Diskriminierung gewertet werden. Es ist derzeit nicht abzusehen, in welchem Maß die Arbeitsgerichte dies „unter Berücksichtigung aller Umstände“ in ihre Bewertung einfließen lassen werden. Zulässig ist die Bewertung des „Schweigens“ zu Lasten des Arbeitgebers aber nach der EuGH-Entscheidung jedenfalls. Zur Vorsicht sollten deshalb möglichst allgemeine Auskünfte über die Stellenbesetzung gegeben werden, um dieser Gefahr zu begegnen.
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