BVerfG

Entfristungspflicht für Postdocs? Berliner Hochschulgesetz nichtig


Berliner Hochschulgesetz nichtig

Um mehr Dauerstellen für Postdoktoranden zu schaffen, reformierte das Land Berlin 2021 sein Hochschulgesetz. Seitdem wird vor allem eine Vorschrift heftig diskutiert, die Universitäten zwang, Postdoktoranden unbefristet weiterzubeschäftigen. Die Verfassungsrichter entschieden nun, dass diese Vorschrift nichtig ist.

An deutschen Hochschulen sind befristete Arbeitsverträge oft der Normalfall. Das WissZeitVG erleichtert den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal. In der Praxis führen diese Befristungsregelungen zu einem hohen Anteil von Kurzzeitbefristungen. In der vergangenen Legislaturperiode wurde ein Gesetzesentwurf zur Reform des WissZeitVG vorgelegt. Aufgrund des Bruchs der Ampel-Koalition konnte das Gesetz aber nicht mehr verabschiedet werden.

Mehr als 80 Prozent befristet eingestellt

Das zentrale Problem ist, dass es an den Hochschulen um Daueraufgaben gehe, diese meist aber eben nicht durch Personen auf Dauerstellen abgedeckt würden, „sondern von wissenschaftlichen Beschäftigten, die immer und immer wieder befristete Arbeitsverträge bekommen“, sagt Felicia Kompio von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. Das erschwere sowohl die Forschung als auch die Karriereplanung der Mitarbeitenden.

Mehr als 80 Prozent der wissenschaftlichen Beschäftigten an deutschen Hochschulen s befristet angestellt, so Kompio. Die Zahl liege damit weit höher als der Durchschnittswert des gesamten Arbeitsmarkts von etwa 7 Prozent. „Wir sehen durchaus, dass es in der Wissenschaft Gründe dafür geben kann, mehr zu befristen als in anderen Branchen“, sagt Kompio. Aber eine so hohe Quote mache den Karriereweg in die Wissenschaft unattraktiv und sorge für Instabilität an den Instituten.

Entfristungsregelung für Berliner Postdocs nichtig

Die Antwort der rot-rot-grünen Landesregierung auf diese Problematiken war eine Reform des Hochschulgesetzes im September 2021. Die Novellierung löste schon damals heftige Debatten aus. Die frühere HU-Präsidentin Sabine Kunst trat aus Protest zurück. Die Uni kritisierte, das Land Berlin habe seine Gesetzgebungskompetenz überschritten - und reichte daher Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden. Die Regelung, nach der Beschäftigte in der Zeit nach Abschluss ihrer Promotion in vielen Fällen einen Anspruch auf eine unbefristete Stelle gehabt hätten, ist nichtig. Grund hierfür ist, dass dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Für den Erlass solcher Gesetze ist der Bund zuständig. Das WissZeitVG enthält abschließende Regelungen zur Befristung, wodurch eine landesrechtliche Vorschrift unzulässig wird. Zudem liegt laut den Karlsruher Richtern ein Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit vor. Die Regelung schränkt die Hochschulen in ihrer Freiheit ein, wissenschaftliches Personal eigenverantwortlich auszuwählen.

Berlin plant Novelle noch in diesem Jahr

Der Deutsche Hochschulverband begrüßte die rechtliche Klärung aus Karlsruhe. Dass gesetzliche Regeln zu Dauer und Beendigung von Arbeitsverhältnissen an staatlichen Hochschulen - wie vom Gericht betont - ausschließlich in der Kompetenz des Bundes liegen, sei gut, sagte Geschäftsführerin Yvonne Dorf. Sonst drohe ein „Flickenteppich“ landesrechtlicher Einzelregelungen. Zudem habe der Senat mit „erfreulicher Klarheit“ festgestellt, dass die im Grundgesetz verankerte Wissenschaftsfreiheit auch für Personalentscheidungen zur Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt.

Der Berliner Senat hatte schon vor der Entscheidung angekündigt, andere Wege gehen zu wollen, um mehr Dauerstellen für Postdocs zu schaffen. Der neue Gesetzentwurf sei "in engem Austausch mit den Berliner Hochschulen entstanden", sagte Senatorin Czyborra. Nun folge die interne Abstimmung im Senat und anschließend die Weiterleitung an das Abgeordnetenhaus, "damit noch in diesem Jahr eine Novellierung des Gesetzes erfolgen kann."

„Berlin ist einer der führenden Wissenschaftsstandorte in Deutschland und Europa“, betonte Czyborra. Es sei dem Senat daher ein wichtiges Anliegen, Wissenschaftlern in der frühen Karrierephase beste Entwicklungschancen zu schaffen. „Dazu gehören rechtliche Rahmenbedingungen, die den Anliegen der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestmöglich entsprechen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stärken.“

Neue unbefristete Stellenkategorien

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, sagte nach der Entscheidung: „Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe der Hochschulen in ihrer Autonomie, für die Wissenschaft geeignete Personalstrukturen und gute Karrierewege zu entwickeln.“ Mit der Berliner Landesregierung habe die Uni im letzten Jahr bereits ein Konzept entwickelt, um den bundesgesetzlichen Rahmen auszufüllen. „Wir begrüßen, dass der Entwurf einer Änderung des Berliner Hochschulgesetzes vorliegt, mit der neue unbefristete Stellenkategorien für den akademischen Mittelbau eingeführt werden sollen.“

Nach den schwarz-roten Plänen sollen neue Kategorien für sogenannte „Lecturer“ und „Researcher“ an den Hochschulen geschaffen werden. Nach Ansicht der GEW reicht das aber nicht aus. „Die Schaffung dieser Stellenkategorien verpflichtet keine Hochschule dazu, diese Stellen an ihrer Hochschule zu schaffen“ kritisiert Kompio. Die Stellen würden dann zwar theoretisch existieren, die Hochschulen könnten aber genauso gut ohne sie weitermachen. „Es steckt keinerlei Verpflichtung darin.“
 

dpa

Schlagworte zum Thema:  Befristung
0 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
Noch keine Kommentare - teilen Sie Ihre Sicht und starten Sie die Diskussion