Push Government – Verwaltungsdigitalisierung

Im Zuge der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes wird immer öfter von Push Government gesprochen. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als eine Revolution des Verwaltungshandelns und ein gewaltiger Turbo für die Digitalisierung. Endlich stehen nicht Anträge und Online-Services im Fokus, sondern der Mensch. Aber was bedeutet Push Government konkret?

Geht es nicht auch ohne Antrag?

Behörden sind Antragsverwaltungen. Ohne Antrag passiert gar nichts: Kein Kindergeld, kein Personalausweis, kein Wohngeld.  Nur im Rahmen der Eingriffsverwaltung werden Behörden von sich aus tätig: zum Beispiel bei der Verkehrs- oder Lebensmittelüberwachung.

Push Government stellt diese Trennung in Frage und weitet das proaktive Tun der Behörden auf die Antragsseite aus. Die grundlegende Frage lautet: Geht es nicht auch ohne Antrag? Dort, wo diese Frage mit ja beantwortet wird, handelt die Behörde von sich aus – ohne Zutun der Anspruchsberechtigten.

Welche Verfahren für Push-Government in Frage kommen

Für Push Government kommen in erster Linie Prozesse in Frage, für die eine Pflicht zum Antrag besteht. Beispielsweise muss eine Geburtsurkunde beantragt werden. Push Government stellt die Frage, ob das auslösende Moment der Geburt nicht ausreicht, um die Geburtsurkunde in den Standesämtern proaktiv zu erstellen. Dass das gelingen kann, zeigt die vielfach automatisch ausgestellte Steuer-ID bereits heute.

Das Kindergeld ist ein zweiter möglicher Usecase des Push-Governments. Hier besteht keine Pflicht, aber beinahe alle Anspruchsberechtigten stellen den entsprechenden Antrag. Dieser ist quasi Formsache. Und als solcher kann der Antrag auch gut entfallen. Die Behörden überweisen das Kindergeld automatisch. Zukünftig ist der Grundbetrag der Kindergrundsicherung dafür gut geeignet. Für den einkommensabhängigen Zusatzbeitrag müssten die Steuererklärungen der Eltern für Push Government herangezogen werden. Auch das wäre potenziell möglich.

Aktives Handeln der Menschen nur noch in Ausnahmefällen

Push Government eignet sich in Summe für Verfahren, die keiner komplizierten Einzelfallprüfungen bedürfen und die eine hohe Nutzungsrate der Anspruchsberechtigten aufweisen. Push Government automatisiert den Prozess für den weit überwiegenden Teil der Menschen und hat damit erhebliches Potenzial zum Bürokratieabbau. Nur noch bei Sonderfällen muss der Einzelne aktiv werden.

Beispielsweise ist das Alter des Kindes auslösendes Element für den Start der Schulanmeldung mit Eingangsuntersuchung etc. Eine erste, aktive Information der Behörden erfolgt bereits heute zum frühestmöglichen Einschulalter. Ist eine frühe Einschulung gewünscht, müssen die Eltern aktiv werden. Dies gilt auch dann, wenn das Kind zurückgestellt werden soll. Für die allermeisten Kinder erfolgt der Verwaltungsvorgang Schulanmeldung beim Push Government aber proaktiv durch die Behörde und ohne Zutun der Eltern.

Daten müssen fließen

Voraussetzung für Push-Government ist die Änderungen der Gesetze für die als geeignet identifizierten Verfahren. Per Generalklausel müssen die „Anträge“ raus und durch aktives Handeln der Behörden ersetzt werden. Komplizierter ist die Verknüpfung der notwendigen Daten. Bleiben wir bei den genannten Beispielen, muss das Standesamt von der Geburt erfahren. Name des Kindes, Eltern, Wohnort, Kontodaten sind beim Kindergeld erforderlich. Die in den verschiedenen Behörden vorhandenen Daten müssen verknüpft, eine Meldung initiiert werden. Das Stichwort lautet Registermodernisierung.

Ganz im Sinne des Once-Only-Prinzips geht Push-Government bestenfalls mit dem Anlegen eines Bürgerkontos ab Geburt einher – natürlich auch automatisch und ohne Antrag. Hier werden im Sinne eines Anschluss- und Benutzungszwangs die Daten des neuen Bürgers einmal angelegt, die Geburtsurkunde und der Bescheid für das Kindergeld als erste Dokumente hinterlegt. Behörden aber auch Arbeitgeber greifen auf diese zu.

Wichtiger Nebeneffekt: Die neuen Generationen starten ab Geburt ganz selbstverständlich ihr digitales Verwaltungshandeln. Ich bin überzeugt, dass wenn die Vorteile des Push-Governments erlebt werden, die Menschen von sich aus bereit sind, Bürgerkonto, BürgerID und Online-Ausweisfunktion des nPA zu nutzen sowie ihre E-Mail-Adresse und Handynummer zu hinterlegen.

Kundenorientierung im Fokus

Im Koalitionsvertrag Bayerns steht geschrieben: „Für uns heißt e-Government aktives Push-Government.“ Push Government reduziert nicht nur Bürokratie, sondern ist Beschleuniger der Digitalisierung. Erstmals werden nicht irgendwelche Verfahren digitalisiert, sondern Digitalisierung konsequent aus Perspektive der Menschen betrieben. Wo lassen sich Anträge vermeiden? Welche Daten können automatisiert fließen? Welche Leistungen können ohne Zutun der Anspruchsberechtigten angeboten werden? Was den Bürgern zugutekommt, hilft auch den Beschäftigten in der Verwaltung. Endlich bringt Digitalisierung Entlastung.

Die Kundenorientierung des Push Governments geht aber weiter: Bisher mussten die Menschen wissen, dass sie einen Anspruch haben. Informationen über Leistungen und Angebote der Verwaltung aber auch Bedingungen und Zuständigkeiten mussten recherchiert werden. Der passende Antrag musste auch erst einmal gefunden werden. Gewaltige Hürden für die Digitalisierung. Nicht umsonst hat man inzwischen erkannt, dass das Vorhandensein der Online-Services nicht zwingend deren Nutzung mit sich bringt.

Push Government bedeutet daher auch, die Bekanntheit und Auffindbarkeit der Angebote zu optimieren. Gemeint ist klassisches Marketing und SEO. Das juristisch zutreffende „Haltverbot“ bringt nichts, wenn die Menschen Halteverbot in die Suchmaske eingeben. Hinzu kommt das aktive Vorschlagen von Verwaltungsleistungen. Wer Bafög beantragt, hat unter Umständen Anrecht auf Wohngeld. Wir kennen es vom Internet-Shopping: „Andere Kunden interessierten sich auch für diese Produkte“. Ein Modell, dass die Verwaltung ihren Kunden mit Push Government anbietet. Welche Leistungen gehören für die Zielgruppen und in den Lebenslagen sinnvollerweise zusammen? Verknüpfungen, die ich selbst schon vor Jahren händisch erstellt habe, liefert die KI heute schneller.

Aktive Kommunikation statt Amtstafel

Letztlich bedeutet Push Government das aktive Informieren der Menschen. Auch hier nutzt die Verwaltung vorhandenen Daten: Laufen Reisepass oder Personalausweis ab, werden die Menschen rechtzeitig informiert. Fristen, endende Genehmigungen, ablaufende Dokumente und Ausweise, selbst die geänderten Abholtermine für den Biomüll: die Möglichkeiten für aktive Kommunikation beim Push Government sind riesig. Liegt der neue Reisepass vor, erfolgt die Information darüber natürlich auch per Push-Nachricht auf dem Smartphone.

Hat die Digitalisierung die öffentliche Verwaltung bestenfalls modernisiert, revolutioniert Push-Government das Behördenhandeln und hat das Potenzial, das Vertrauen der Menschen in die Behörden wiederherzustellen.