Wird ein parkendes Auto von einer Dachlawine beschädigt, können Schadenersatzansprüche gegen den Hauseigentümer geltend gemacht werden. Dieser ist verpflichtet, auch in sonst schneearmen Gebieten vor den Gefahren zu warnen. Dass er nicht vor Ort wohnt, entlastet ihn nicht.

Hintergrund

Der Fahrer eines Toyota hatte sein Fahrzeug an einem schneereichen Januartag am Straßenrand in Haldensleben geparkt. Eine Schneelawine stürzte von einem Dach herab und beschädigte das Auto. Das Dach war nicht mit Schneefanggittern gesichert. An dem Fahrzeug entstand ein Sachschaden von 6.000 Euro.

Entscheidung

Das LG Magdeburg verurteilte die Hauseigentümerin aufgrund der Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht zur Zahlung des hälftigen Schadens. Begründung: Wer eine Gefahrenlage schaffe, müsse alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um einen Schaden zu vermeiden.

Zwar könne in einer schneearmen Gegend wie Haldensleben nicht verlangt werden, Schneefanggitter anzubringen. Gleichwohl müssen die Straßenbenutzer bei ungewöhnlich starkem Schneefall vor den Gefahren gewarnt werden.

Bei deutlich erkennbaren Gefahren, die vor sich selbst warnen, bedarf es einer Verkehrssicherung nicht, wenn bei verständiger Beurteilung anzunehmen ist, dass der zu Schützende ihnen ausweichen kann und wird. Das galt hier nicht, da der Passant oder Parkende über Neigungswinkel und Auffanggitter nicht ohne weiteres orientiert ist.

Darüber hinaus war es unerheblich, dass der Sitz der Hauseigentümerin in Magdeburg und nicht in Haldensleben war. Auch wer nicht vor Ort ist, muss Vorkehrungen treffen oder diese entsprechend organisieren. Zudem sei der Schneefall nicht plötzlich aufgetreten, sondern bestand schon seit einiger Zeit.

Dennoch bleibt der Kläger zu 50 Prozent auf seinem Schaden sitzen, weil er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen muss. Er kannte nämlich auch die Wetterlage und die Gegebenheiten des Dachs, da er schräg gegenüber wohnte. Daher war es ihm zuzumuten, an einer ungefährlichen Stelle zu parken.

(LG Magdeburg, Urteil v. 10.11.2010, 5 O 833/10)

 

Hintergrund: Verkehrssicherungspflicht

Im Winter, zumindest bei Schnee und Eis, bekommt der Begriff Verkehrssicherungspflicht eine ganz besondere Qualität. Besonders wichtig ist in den Wintermonaten die Räum- und Streupflicht. Es muss gewährleistet sein, dass die Zugänge zur Wohnanlage gefahrlos begangen werden können.

  • Hierbei reicht aus, dass auf dem Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr ausreichend breiter Streifen (ca. 1,20 m) sowie die Zugänge zum Grundstück gestreut und von Schnee gesäubert werden.
  • Nach dem Schneeräumen sollte alsbald gestreut werden.
  • Ein Nachstreuen bei fortdauerndem Schneefall muss erst nach angemessener Zeit erfolgen.
  • Die Streupflicht selbst beginnt nach den örtlichen Verhältnissen mit dem Einsetzen des Tagesverkehrs und endet am Abend.

Dachlawine: Wieviel Schutz muss sein?

Umstritten ist die Frage, welche Vorkehrungen nötig sind, um den vor dem Haus liegenden Straßenraum gegen Dachlawinen zu sichern:

  • Nach einer Ansicht ist es lediglich verpflichtend, Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden.
  • Sind Sicherungsmaßnahmen wegen des Abstürzens von Schnee nicht ortsüblich, können sie vom Hauseigentümer nur unter besonderen Umständen gefordert werden. Dabei kommt es im Einzelfall auf die klimatischen und örtlichen Verhältnisse, die Lage des Hauses, die Lebhaftigkeit des Verkehrs zum Haus, auf die besonderen Witterungsverhältnisse, die Dachneigung und die Bauart des Hauses an.
  • Etwas anderes kann dann gelten, wenn in der Gemeinde eine Satzung oder eine örtliche Bauvorschrift besteht, durch die das Anbringen von Schneefanggittern vorgeschrieben wird.
  • Nach strengerer Ansicht müssen auch beim Fehlen solcher Vorschriften grundsätzlich Schneefanggitter angebracht oder doch zumindest Warnschilder aufgestellt werden.
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