Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlendes rechtliches Interesse für selbständiges Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Ein rechtliches Interesse i.S.d. § 485 Abs. 2 ZPO an der Durchführung des beantragten selbständigen Beweisverfahrens ist zu verneinen, wenn eine Anspruchsgrundlage für einen behaupteten Schadensersatzanspruch zwar theoretisch denkbar ist, aber nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ganz offensichtlich nicht gegeben sein kann (Ausnahme vom Verbot der Schlüssigkeitsprüfung im selbständigen Beweisverfahren).

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 12.11.2003; Aktenzeichen 11 OH 43/03)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.09.2004; Aktenzeichen III ZB 33/04)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Antragsteller nach einem Beschwerdewert von 25.000 Euro zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gem. §§ 490 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.

1. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das LG hat zu Recht ein rechtliches Interesse im Sine von § 485 Abs. 2 ZPO an der Durchführung des beantragten selbstständigen Beweisverfahrens verneint. Dabei durfte es darauf abstellen, dass eine Anspruchsgrundlage für den behaupteten Schadenersatzanspruch zwar theoretisch denkbar, aber offensichtlich nicht gegeben sei. Dem tritt der Senat bei.

2.a) Allerdings entspricht es herrschender Ansicht, dass im selbstständigen Beweisverfahren grundsätzlich weder die Erheblichkeit des Beweismittels für einen späteren Hauptprozess noch die Schlüssigkeit des behaupteten Anspruchs zu prüfen ist (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 485 Rz. 4 und 7a). Indes ist ausnahmsweise ein rechtliches Interesse i.S.v. § 485 Abs. 2 ZPO zu verneinen, wenn weder ein Anspruchsgegner noch ein Anspruch ersichtlich sind. Der Senat hat dabei in seiner ständigen Rechtsprechung zu diesem Ausnahmefall darauf abgehoben, dass überhaupt kein Anspruch denkbar sein darf, um zu verhindern, dass die mit dem Antrag befassten Gerichte in die grundsätzlich unzulässige Schlüssigkeitsprüfung im Einzelfall eintreten.

b) Daran hält der Senat für Fälle, in denen ein Anspruch zwar theoretisch gegeben sein könnte, nach dem Vortrag des Antragstellers aber ganz offensichtlich nicht gegeben sein kann, nicht fest. Hierfür maßgebend ist das schützenswerte Interesse des Antragsgegners, nicht mit einem Verfahren überzogen zu werden, das für den Antragsteller auch bei weitester Auslegung seines rechtlichen Interesses nicht von anerkennenswertem Nutzen sein kann. Zwar wird das selbstständige Beweisverfahren ausschließlich auf Kosten des Antragstellers durchgeführt und dem Antragsgegner erwachsen bei einem von vornherein nutzlosen Verfahren auch keine Rechtsnachteile, insb. kann zu seinen Lasten keine Kostenentscheidung ergehen. Gleichwohl ist die Durchführung des Beweisverfahrens auch für den Antragsgegner mit Belastungen verbunden, schon weil er sich in aller Regel rechtlichen Rates wird bedienen müssen, um die Tragweite und Folgen des Verfahrens abzuschätzen. Ist das Verfahren schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers für diesen nicht geeignet, irgendeine Rechtsposition zu verbessern, ist auch im Interesse des Antragsgegners der Antrag als unzulässig abzuweisen.

3. So liegt es hier. Die Anspruchsteller berühmen sich eines Anspruchs gegen den Antragsgegner, weil dieser als gerichtlich bestellter Sachverständiger in einem Zwangsversteigerungsverfahren grob fahrlässig ein Wertgutachten falsch erstellt habe. Es seien gröbste Mängel des Hauses übersehen worden, so dass ein Wert von 248.000 Euro, statt richtigerweise von allenfalls 190.000 Euro ermittelt worden sei. Das AG habe den Verkehrswert auf der Basis des falschen Gutachtens mit 248.000 Euro festgesetzt, woraufhin sie, die Antragsteller, das Grundstück für 195.500 Euro ersteigert hätten. Wäre der Verkehrswert aufgrund eines zutreffenden Wertgutachtens mit etwa 190.000 Euro festgesetzt worden, hätten sie, die Antragsteller, das Grundstück für einen beträchtlich niedrigeren Betrag als 195.000 Euro ersteigert. Auf der Grundlage diese Vortrages der Antragsteller ist ein Anspruch aus Sachverständigenhaftung gegen den Antragsgegner ganz offensichtlich nicht gegeben.

a) Ein auf § 826 BGB gestützter Anspruch scheidet aus, weil die Antragsteller nicht so weit gehen wollen, dem Antragsgegner eine gewissenlose Verletzung von Berufspflichten vorzuwerfen. Einen vertraglichen Anspruch gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen gibt es nicht. Den Ausführungen in dem Hinweis des Berichterstatters vom 9.2.2004 sind die Antragsteller insoweit nicht mehr entgegengetreten.

b) Entgegen der Ansicht der Antragsteller kommt auch eine Haftung des Antragsgegners nach § 839a BGB nicht in Betracht, weil der geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzbereich dieser Norm erfasst wird.

Zwar ist den Antragstellern einzuräumen, dass eine Anwendbarkeit dieser Norm nach Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nicht aus Gründen ihrer ...

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