Leitsatz (amtlich)

1. Das vorsätzliche Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 ausgestatteten und aus diesem Grund mit einem Sachmangel behafteten Motors kann die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 826 BGB erfüllen.

2. Durch das nachträgliche Aufspielen eines Software-Updates zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung entfällt der durch die Belastung mit der Kaufpreiszahlungsverpflichtung aus dem so nicht gewollten Vertrag über das mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Fahrzeug eingetretene Schaden grundsätzlich nicht.

3. Dieser Schaden kann dadurch ersetzt werden, dass der geleistete Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs erstattet wird, wobei im Wege der Vorteilsausgleichung Wertersatz für die gezogenen Nutzungen zu leisten ist.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 12 O 349/17)

 

Tenor

1. Auf die Zweitberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung derselben im Übrigen das am 23. Mai 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 349/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs der Marke VW Polo, Fahrzeugidentifikationsnummer ... 11.179,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Januar 2018 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Januar 2018 für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Erstberufung der Klägerin gegen das am 23. Mai 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 349/17 - wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 57 % und die Beklagte zu 43 %.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz infolge des Erwerbs eines von dem sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs in Anspruch.

Die Klägerin erwarb im September 2010 bei der Firma A. GmbH & Co. KG in E. einen PKW der Marke VW Polo BlueMotion 1,2 l TDI 55 kW als Neufahrzeug zu einem Gesamtpreis von 18.445 EUR einschließlich Überführungskosten in Höhe von 660 EUR und Zulassungskosten in Höhe von 119 EUR. Das Fahrzeug wurde der Klägerin am 29. Dezember 2010 übergeben. Das Fahrzeug, bei dem ein durch die Beklagte hergestellter Dieselmotor der Baureihe EA 189 (Abgasnorm Euro 5) eingebaut ist, war zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs mit einer Software ausgestattet, die den Stickstoffausstoß auf dem Prüfstand (Modus 1) gegenüber dem normalen Fahrbetrieb (Modus 0) infolge einer höheren Abgasrückführungsrate reduzierte. Das Kraftfahrt- Bundesamt hat diesbezüglich die Auffassung vertreten, dass es sich bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, und hat im Oktober 2015 der Beklagten gegenüber den Rückruf von Fahrzeugen zum Zwecke der Entfernung dieser Abschalteinrichtung angeordnet. Im Dezember 2016 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte dieser mit, dass im Hinblick auf eine Rückrufaktion ein Software-Update an deren Fahrzeug vorzunehmen sei. Dieses Software-Update, das bewirkt, dass das Fahrzeug nur noch in einem adaptierten Modus 1 sowohl im Prüfstand als auch auf der Straße betrieben wird, und das durch das Kraftfahrt-Bundesamt am 12. August 2016 freigegeben worden war, wurde am 12. Dezember 2016 installiert. Die Beklagte stellte der Klägerin in diesem Zusammenhang eine Bescheinigung dahingehend aus, dass ihr Fahrzeug vollumfänglich den geltenden gesetzlichen Vorschriften entspreche. Gleichzeitig sicherte die Beklagte der Klägerin zu, dass mit der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung und Drehmoment sowie Geräuschemissionen keine Verschlechterungen verbunden seien und alle typgenehmigungsrelevanten Fahrzeugwerte unverändert Bestand hätten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. April 2017 forderte die Klägerin von der Beklagten eine Bestätigung, dass das Fahrzeug der EG-Übereinstimmungsbescheinigung entspreche und die darin angegebenen Werte eingehalten würden, was die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juni 2017 ablehnte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. November 2017 übersandte die Klägerin der Beklagten den Entwurf einer Klageschrift und forderte diese erfolglos unter Fristsetzung zur Leistung auf die darin geltend gemachte Schadensersatzforderung in Höhe von 12.530,05 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei durch die Beklagte arglistig über die...

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