Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei Verbraucherkreditverträgen gem. § 495 BGB in einem von der Beklagten verwendeten Vertragsformular (Ankreuzmodell)

 

Normenkette

BGB §§ 360, 495; BGBEG 2011 Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen 10 O 33/13 KfH)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.02.2016; Aktenzeichen XI ZR 549/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des LG Ulm vom 17.7.2013 (Az.: 10 O 33/13 KfH) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleitung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen, soweit der Klageantrag Ziff. 1 zurückgewiesen wird. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche aus der Verwendung einer Seite eines Formulars für Verbraucherdarlehen geltend.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des LG Ulm vom 17.7.2013 (Az.: 10 O 33/13 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das LG hat, der Klage insgesamt stattgebend, die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung verurteilt:

1. Der Beklagten wird untersagt, im Zusammenhang mit der Vergabe von Darlehen an Verbraucher eine Widerrufsbelehrung zu verwenden oder verwenden zu lassen, die nicht deutlich gestaltet ist, wie nachfolgend geschehen in dem Vertragsformular 192 643.000 (Fassung November 2011): [es folgt die angegriffene Gestaltung].

2. Der Beklagten wird untersagt, im Zusammenhang mit der Vergabe von Darlehen an Verbraucher eine Widerrufsbelehrung zu verwenden oder verwenden zu lassen, in der das Ankreuzen von Belehrungsbestandteilen vorgesehen ist, soweit diese für den jeweiligen Einzelfall einschlägig sind, wie geschehen in dem Vertragsformular 192 643.000 (Fassung November 2011).

Hierzu hat das LG ausgeführt:

Die zulässige Klage sei aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 491, 503, 495 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB begründet.

Die Widerrufsbelehrung bei Verbraucherkreditverträgen habe in deutlicher und hervorgehobener Form zu erfolgen. Zwar sei in § 495 BGB auf § 360 Abs. 1 BGB nicht Bezug genommen. Aber das Deutlichkeitsgebot in Bezug auf die Form ergebe sich aus Art. 247 § 6 EGBGB, wie die Wortlautauslegung und die Auslegung nach der Gesetzessystematik ergäben, durch Sinn und Zweck der Belehrung gestützt.

Eine inhaltlich zutreffende Belehrung versetze den Verbraucher noch nicht in die Lage, sein Widerrufsrecht auszuüben, was eine in der Form hervorgehobene Belehrung erfordere.

Die Argumentation der Beklagten führe dazu, dass bei weniger bedeutenden Verträgen, die unter § 360 BGB fielen, strengere Anforderungen gälten.

Die angegriffene Verletzungsform (Klageantrag und Schriftsatz vom 19.6.2013 - GA 69) in Ziff. 14 des Vertragstextes, unmittelbar nach den Ziff. 12 und 13 des Vertragsmusters, gestaltet wie aus Anlage K 3 bzw. B 1 ersichtlich, genüge dem Gebot deutlicher Hervorhebung nicht. Danach müsse sich die Widerrufsbelehrung gestalterisch vom übrigen Text abheben. Das könne erfolgen durch mannigfache Varianten in Schriftart, Schriftdicke, Umrahmungen, farbliche Unterlegungen usw., wenn dadurch der bezweckte, nicht übersehbar, augenfällige Hinweis auf die Widerrufsbelehrung aus der Sicht eines verständigen Darlehensnehmers gewahrt sei. Dem werde der Vertragstext nicht gerecht (näher LGU 22 f.).

Das Ankreuzmodell sei als solches bereits unlauter, unabhängig davon, ob das passende Kreuz, wie in der Anlage K 3, nicht gesetzt sei. Die Belehrung sei inhaltlich klar zu erteilen. Zusätze, die zur Verdeutlichung der Belehrung nicht erforderlich sind, seien unzulässig. Daher sei für jeden Vertragstyp grundsätzlich ein gesondertes Formular zu verwenden. Durch die "Ankreuzoptionslösung" erfahre der Darlehensnehmer zwar, wenn die entsprechenden, für den Vertrag geltenden Widerrufsbelehrungsinhalte angekreuzt seien, welche Rechte er habe. Die Ankreuzoptionslösung widerspreche aber sowohl dem inhaltlichen wie dem gestalterischen Deutlichkeitsgebot. Zum einen müsse der Darlehensnehmer zunächst feststellen, welche Widerrufsbelehrung angekreuzt worden sei. Das sei ihm zwar durchaus leicht möglich. Dadurch werde aber die Übersichtlichkeit und Deutlichkeit der Gestaltung beeinträchtigt. Zum anderen werde der Darlehensnehmer sich ggf. auch mit den nicht angekreuzten Optionen befassen. Dadurch werde er möglicherweise irritiert. Die Widerrufsbelehrung werde bei der von der Beklagten gewählten Lösung deutlich umfangreicher. Auch das widerspreche dem Deutlichkeitsgebot.

Gegen dieses Urteil hat di...

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