Leitsatz (amtlich)

1. Beim Versandhandel mit Medikamenten ist die Einrichtung einer Telefonberatung, die für den Patienten mit Kosten in Form von Telefonentgelten verbunden ist, welche über die ihm bei Festnetzgesprächen aufgrund seines Telefontarifs normalerweise entstehenden hinausgehen, mit der Beratungspflicht in §§ 20, 17 ApBetrO unvereinbar.

2. Eine ausländische Versandapotheke bedarf der deutschen Apothekenerlaubnis, wenn sie Arbeitsgänge in Deutschland ausführen lässt, die dem pharmazeutischen Bereich der Apotheke zuzurechnen sind, sei es unmittelbar oder weil sie Auswirkungen auf die Arzneimittelsicherheit oder die Volksgesundheit haben können.

3. Zur Unterlauterkeit von Angaben, durch die eine ausländische Versandapotheke beim Verbraucher den Eindruck erweckt, sie habe ihren Sitz in Deutschland bzw. sein Vertragspartner werde nicht eine ausländische Versandapotheke sondern eine deutsche Drogeriemarktkette.

4. Die von einer ausländischen Versandapotheke gegenüber Kunden in Deutschland verwendete Klausel "Anwendbares Recht/Gerichtsstand: für alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten gilt ausschließlich niederländisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts" benachteiligt den deutschen Verbraucher unangemessen.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5; AMG § 73 Abs. 1 Nr. 1a; ApoG §§ 1-2, 7; ApBetrO §§ 17, 20; BGB § 307

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 19.05.2010; Aktenzeichen 4 O 281/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.07.2012; Aktenzeichen I ZR 40/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Ulm vom 19.5.2010 (Az.: 4 O 281/09), ergänzt durch Beschluss vom 06.082010, wird zurückgewiesen.

II: Auf die Berufung des Klägers wird das unter Ziff. I. bezeichnete Urteil des LG Ulm abgeändert.

Die Beklagte wird über den Ausspruch des LG Ulm hinaus verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. zur pharmazeutischen Beratung eine Telefon-Hotline zur Verfügung zu stellen, die nur gegen Gebühr in Anspruch genommen werden kann;

und/oder

2. in Deutschland ohne die erforderliche Apothekenbetriebserlaubnis einen Apothekenbetrieb auch nur teilweise zu unterhalten;

III. Die durch die Anrufung des unzuständigen LG München entstandenen Mehrkosten trägt die Klägerin.

Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen der Kläger 1/6 und die Beklagte 5/6.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Für den Kläger in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung i.H.v.100,000 EUR aus dem Tenor Ziff. I.1 des landgerichtlichen Urteils, 100.000 EUR aus dem Tenor Ziff. I.1.1. des landgerichtlichen Urteils, 50.000 EUR aus dem Tenor Ziff. I. 2b des landgerichtlichen Urteils sowie i.H.v. 50.000 EUR aus dem Tenor Ziff. II.1. des vorliegenden Urteils und 200.000 EUR aus dem Tenor Ziff. II. 2. des vorliegenden Urteils.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sich aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages leistet.

V. Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

Streitwert: Für den ersten Rechtszug 605.000 EUR, für das Berufungsverfahren 500.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung aus Wettbewerbsrecht in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Ulm vom 19.5.2010 nebst dem Ergänzungsbeschluss vom 6.8.2010 (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das LG hat der Klage unter Klageabweisung im Übrigen teilweise stattgegeben. Hierzu hat es ausgeführt:

Der auf Unterlassung von Werbung ohne deutlichen Hinweis darauf, dass es sich um Angebote der Beklagten als niederländische Versandapotheke handelt (§§ 3, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG), gerichtete Antrag sei unzulässig, da zu unbestimmt. Eine Auslegung der Klagebegründung, namentlich anhand der Anlagen K 1 und K 2, beseitige diesen Mangel nicht.

Allerdings sei der Hilfsantrag zulässig und nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UWG a.F. oder jedenfalls nach §§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründet. Weil die Beklagte nicht darauf hingewiesen habe, dass sie eine niederländische Versandapotheke mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit sei und weil die Werbung in eine Werbedruckschrift der Firma A. integriert gewesen sei, sei beim Verbraucher der unzutreffende Eindruck entstanden, die beworbenen Arzneimittel seien Angebote der Fa.A. Die Beklagte könne sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, sie praktiziere die Werbung in der aus den Anlagen K1 und K 2 ersichtlichen Form nicht mehr. Denn sie bestehe darauf, dass diese Werbung zulässig gewesen sei, so dass ohne en...

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