Leitsatz (amtlich)

1. Zwischen einem Kaufpreisanspruch gegen einen Erwerber von Wohnungseigentum und einem Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum besteht mangels der für eine Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit keine Aufrechnungslage, weil zwar ein Erwerber von Wohnungseigentum einen Anspruch auf Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum grundsätzlich selbständig geltend machen kann, aber grundsätzlich nur auf Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft.

2. Eine unwirksame Aufrechnungserklärung eines Erwerbers mit einem Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum gegen die Kaufpreisforderung ist als Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 320 BGB zu behandeln.

3. Auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche der einzelnen Erwerber aus deren Kaufverträgen wirksam an sich gezogen hat, wird sie nicht Inhaberin dieser Rechte, so dass sie diese nicht an Dritte wie z.B. einzelne Erwerber abtreten kann. Ein dennoch gefasster Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen führt nicht zur Nichtigkeit der gesamten Beschlussfassung, wenn diese auch ohne Abtretung erfolgt wäre.

4. Nach neuem Recht erlischt der Nacherfüllungsanspruch und damit ein Vorschussanspruch für die Mängelbeseitigung nicht schon mit der Fristsetzung zur Mängelbeseitigung oder dem Beschluss der Eigentümergemeinschaft, Schadensersatz zu verlangen, sondern erst mit der Geltendmachung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung gegenüber dem Unternehmer,.

 

Normenkette

BGB §§ 634, 637, 281 Abs. 4, §§ 387, 320, 139; WEG § 23 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 12 O 433/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart, Aktenzeichen 12 O 433/08, abgeändert.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 39.304 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.11.2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen Zahlung von 50.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.8.2011. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagten 50.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.8.2011 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, den Beklagten ihnen und der Wohnungseigentümergemeinschaft sämtliche Schäden für die Beseitigung folgender Mängel am Dach der R. str. 113 auch insoweit zu ersetzen, als diese den Betrag von 50.000 EUR überschreiten:

  • Mangelhafte Eindeckung der Dachgauben wegen einer um 8 Grad zu geringen Mindestdachneigung mit einer unzureichenden Überdeckung der Ziegel;
  • mangelhafte Anschlüsse der Dacheindeckung auf der Blechverwahrung;
  • Fehlen einer Unterspannbahn einschließlich fehlender Hinterlüftung unterhalb der Dacheindeckung sowie fehlender Zu- und Abluftöffnungen;
  • mangelhafte Verlegung der Wärmedämmung; die Wärmedämmung entspricht nicht den Vorschriften der EnEV 2002;
  • große Mengen Bauschutt und Müll über der Wärmedämmung;
  • teilweises Fehlen einer Dampfsperre bei ausgebautem Dachraum;
  • Wasserspuren im Deckenbereich der Dachgeschosswohnung der Beklagten im Vorratsraum und in der Küche.

5. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

6. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen. Die Kosten der Streithelferin werden nicht erstattet.

7. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

8. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 106.000 EUR

Streitwert der Widerklage in 1. Instanz: 66.696 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin macht mit ihrer Klage unstreitigen restlichen Kaufpreis für den Verkauf einer Eigentumswohnung geltend, während die Beklagten mit ihrer Widerklage einen - nach Aufrechnung die Klagforderung übersteigenden - Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die Beseitigung von Mängeln am Dach des Gebäudes R. straße 113 in S und hilfsweise Schadensersatz geltend machen.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Stuttgart vom 8.11.2011 - 12 O 433/08, verwiesen.

Mit diesem Urteil hat das LG Stuttgart die Klage wegen der Aufrechnung der Beklagten zurückgewiesen und der Widerklage weitgehend stattgegeben. Die Klägerin habe gegen die Beklagten einen restlichen Kaufpreisanspruch von 39.304,- EUR gehabt, der aufgrund der Aufrechnung mit einem Kostenvorschussanspruch der Beklagten von 50.000,- EUR erloschen sei. Den Beklagten stehe wegen Mängeln am Dach ein solcher Vorschussanspruch zu. Nach dem Kaufvertrag sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die vorhandene Dachkonstruktion d...

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