Verfahrensgang

LG Ulm (Aktenzeichen 2 O 505/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 20.05.2019 - 2 O 505/18 in Ziffer 1 der Entscheidungsformel wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.744,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrgestellnummer [...] zu bezahlen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen der Kläger 42 % und die Beklagte 58 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 13 % und die Beklagte 87 %.

IV. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Streitwerte:

in erster Instanz: 19.300,00 Euro,

in zweiter Instanz: 12.207,00 Euro.

 

Gründe

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs.

Der Kläger erwarb am 10.12.2015 ein Fahrzeug des Typs VW Tiguan mit einer Laufleistung von 118.514 km zum Preis von 15.800,00 Euro. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 160.584 km.

In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor mit der herstellereigenen Typenbezeichnung EA 189 verbaut, der die in der VO (EG) Nr. 715/2007 angeordneten Emissionsgrenzwerte bezüglich der Masse der Stickstoffoxide zwar auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) einhält, jedoch im realen Straßenverkehr weit überschreitet, was darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte diesen Motor per Softwaresteuerung mit zwei Betriebsmodi versehen hat.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 11.707,30 Euro nebst Verzugszinsen seit dem 07.12.2018 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt (Ziff. 1) und festgestellt, dass die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug ist (Ziff. 2). Weiter hat das Landgericht Deliktszinsen aus 15.800,00 Euro für die Zeit vom 11.12.2015 bis zum 06.12.2018 zugesprochen (Ziff. 3). Mit Ziff. 4 des Urteils hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz für Schäden zu leisten, die aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs entstanden sind. Schließlich hat es die Beklagte zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 490,99 Euro verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie vertritt die Auffassung, dass keine sittenwidrige Schädigung vorliege, insbesondere deshalb nicht, da zum Zeitpunkt des Kaufvertrages das Überschreiten der Emissionsgrenzwerte im realen Straßenverkehr bereits öffentlich bekannt gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 20. Mai 2019, Az. 2 O 505/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

B Die zulässige Berufung ist nur hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Deliktszinsen begründet.

I. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertragsschlusses gemäß § 826 BGB zu. Demnach ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise dem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

1. Die Beklagte hat durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs, dessen Betriebserlaubnis im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte streitgegenständliche Umschaltlogik in Frage stand, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB gehandelt (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 2020 - 2 U 306/19, juris Rn. 18 ff.).

Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bestimmter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist, die dem Hersteller bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs bekannt waren. Diese konkludente Erklärung entsprach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei der im streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert...

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