Leitsatz (amtlich)

1. Hat die letzte mündliche Verhandlung erster Instanz vor dem 1.1.2002 stattgefunden, sind nach § 26 Nr. 5 EGZPO die bis 31.12.2001 geltenden Berufungsvorschriften anzuwenden, auch wenn das angefochtene Urteil erst im Jahr 2002 verkündet worden ist.

2. Die Unkenntnis ihres Rechtsanwalts von der Übergangsvorschrift des § 26 Nr. 5 EGZPO (eingefügt durch Art. 3 Nr. 3 ZPO-RG) entschuldigt eine Partei nicht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht zu gewähren, wenn er die Berufung nicht gemäß § 519 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F. innerhalb eines Monats, gerechnet ab der Einlegung der Berufung, sondern gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. erst zwei Monate nach der Urteilszustellung begründet hat.

 

Normenkette

ZPO a.F. §§ 223, 519 Abs. 2 S. 2, § 519b; ZPO n.F. § 520 Abs. 2 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2; EGZPO § 26 Nr. 5; ZPO-RG Art. 3 Nr. 3, Art. 53 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Göppingen (Urteil vom 10.01.2002; Aktenzeichen 10 F 823/00)

 

Tenor

1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen Ziff. 4 des Teilanerkenntnis- und Schlussurteils des AG - FamG - Göppingen – 10 F 823/00 – vom 10.1.2002 wird als unzulässig verworfen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Streitwert des Berufungsverfahrens:

12 × 119 EUR = 1.428 EUR

5. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

6. a) Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe zu Verteidigung gegen die Berufung bewilligt.

b) Ihm wird Rechtsanwalt S. zu den Bedingungen eines am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

c) Der Antragsteller hat ab 1.8.2002 monatliche Raten von 30 EUR an die Landeskasse zu zahlen.

 

Gründe

I. Durch das angefochtene Scheidungsverbundurteil des AG vom 10.1.2002 (Bl. 101/111 d.A.) wurde aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2001 die Ehe der Parteien geschieden, das Sorgerecht für die Tochter M.S. sowie der Versorgungsausgleich geregelt und der Antragsgegnerin ein nachehelicher Unterhaltsanspruch i.H.v. 424,40 EUR gegen den Antragsteller zugesprochen. Der weiter gehende Unterhaltsantrag der Antragsgegnerin wurde zurückgewiesen.

Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 21.1.2002 zugestellt (Bl. 113 d.A.). Die Antragsgegnerin hat gegen Ziff. 4 des Urteils (Folgesache nachehelicher Unterhalt) durch einen am 20.2.2002 beim OLG eingegangenen Schriftsatz (Bl. 117/119 d.A.) Berufung eingelegt und diese durch einen weiteren, am 21.3.2002 beim OLG eingegangenen Schriftsatz (Bl. 125/136 d.A.) begründet. Die Antragsgegnerin erstrebt damit eine Erhöhung ihres nachehelichen Unterhalts um monatlich 119 EUR auf monatlich 543 EUR.

Der Senatsvorsitzende hat die Parteien mit Verfügung vom 23.5.2002 (Bl. 151/152 d.A.) auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung hingewiesen.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrem am 31.5.2002 beim OLG eingegangenen Schriftsatz (Bl. 153/184 d.A.):

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bei Anwendung des Art. 26 Nr. 5 EGZPO und der bis 31.12.2002 geltenden Fassung der Berufungsvorschriften bei letzter mündlicher Verhandlung in dieser Sache vor dem FamG am 20.12.2001.

2. Ziffer 4 (Folgesache nachehelicher Unterhalt) des Urteils des AG - FamG - Göppingen v. 10.1.2002, zugestellt am 21.1.2002 – Az.: 10 F 823/00 – wird dahin abgeändert, dass auf die Berufung der Antragsgegnerin ferner der Antragsteller verurteilt wird, an die Antragsgegnerin außer dem laut Ziff. 4 bereits von ihm zu zahlenden monatlichen nachehelichen Unterhalt i.H.v. 424,40 EUR zusätzlich noch einen weiteren nachehelichen Unterhaltsbetrag von monatlich 118,59 EUR (gerundet: 119 EUR) an die Antragsgegnerin zu bezahlen; jeweils zahlbar monatlich im Voraus zum Ersten eines Monats sowie jeweils beginnend ab Rechtskraft des Urteils in Ziff. 1 (des Scheidungsurteils), so dass Ziff. 4 des Urteils insgesamt lautet:

Der Antragsteller wird verurteilt, beginnend mit der Rechtskraft der Ziff. 1 des Urteils des AG - FamG - Göppingen vom 10.1.2002 – Az.: 10 F 823/00 (Ehescheidung), an die Antragsgegnerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt i.H.v. (insgesamt) 542,99 EUR (gerundet 543 EUR) zahlbar monatlich im Voraus zum Ersten eines Monats, zu bezahlen.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags trägt die Antragsgegnerin vor, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Die Besonderheit sei, dass die Fristversäumnis auf einer Gesetzesänderung beruhe, die sehr kurzfristig neben einer Vielzahl weiterer Gesetzesänderungen ohne Gewährung einer längeren Einarbeitungszeit am 1.1.2002 in Kraft getreten sei und zwar auf einer so versteckten Vorschrift, die offensichtlich auch der Senat erst zwei Monate nach Einreichung des Schriftsatzes vom 20.3.2002 trotz der täglichen Beschäftigun...

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