Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 06.11.2006; Aktenzeichen 4 O 1149/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.02.2008; Aktenzeichen VI ZR 154/07)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 6.11.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Oldenburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen, die zur Erblindung auf beiden Augen führten. Die Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen ist dem Grunde nach unstreitig.

Am 8.12.2000 unterzeichnete der Kläger eine Abfindungserklärung auf einem Formular der Beklagten zu 2), in der er sich nach Zahlung von insgesamt 750.000 DM "für alle bisherigen und möglicherweise künftig noch entstehenden Ansprüche, seien sie vorhersehbar oder nicht vorhersehbar, (...) endgültig und vorbehaltlos abgefunden" erklärte. In dem Formular war u.a. auch angegeben, dass der Kläger aufgrund des Unfallereignisses Landesblindengeld (nach dem Niedersächsischen Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde) erhält.

Der Kläger hat behauptet, bei den Verhandlungen über die Abfindungssumme sei von der Beklagten zu 2) immer wieder auf den Bezug des Blindengeldes hingewiesen worden. Die Parteien seien davon ausgegangen, dass der Kläger das Blindengeld bis zum Tode beziehen werde. Dies sei maßgeblicher Faktor für die Bemessung der Abfindungssumme gewesen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass durch die Reduzierung des Landesblindengeldes im Jahr 2004 (von 510 EUR auf 409 EUR) sowie die vollständige Streichung des Landesblindengeldes ab Januar 2005 die Geschäftsgrundlage für den Abfindungsvergleich entfallen sei. Er hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 9.372 EUR (für den Zeitraum Januar 2004 bis April 2006) nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Mai 2006 510 EUR monatlich an den Kläger zu zahlen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Wegen der Feststellungen und der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt; hilfsweise stellt er Zahlungsantrag i.H.v. weiteren 4.080 EUR nebst Zinsen für den Zeitraum Mai bis Dezember 2006 und begehrt Feststellung der Zahlungspflicht ab Januar 2007 in Höhe der Differenz zwischen einem Betrag von 510 EUR und dem inzwischen wieder eingeführten Landesblindengeld i.H.v. - zurzeit - 220 EUR.

Das LG habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet war, dem Landkreis Cloppenburg das an den Kläger gezahlte Blindengeld zu erstatten (was unstreitig ist) und von dieser Zahlungspflicht nun - durch die Streichung bzw. Reduzierung des Landesblindengeldes - befreit werde. Dieser Vorteil stehe ihr nicht zu; für den Kläger sei dieses Ergebnis untragbar.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Der Kläger ist nicht berechtigt, eine Anpassung des Abfindungsvergleichs nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu verlangen.

Durch den mit Erklärung des Klägers vom 8.12.2000 zustande gekommenen Abfindungsvergleich sollten alle Ansprüche des Klägers aus dem Unfall endgültig erledigt und auch unvorhergesehene Schäden mit bereinigt werden.

Will der Geschädigte dennoch von einem solchen Vergleich abweichen und Nachforderungen stellen, muss er darlegen, dass ihm ein Festhalten am Vergleich nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar ist, weil entweder die Geschäftsgrundlage für den Vergleich sich geändert hat, sodass eine Anpassung an die veränderten Umstände erforderlich erscheint, oder weil nachträglich erhebliche Äquivalenzstörungen in den Leistungen der Parteien eingetreten sind, die für den Geschädigten nach den Gesamtumständen eine ungewöhnliche Härte bedeuten würden (BGH NJW 1984, 115 m.w.N.).

a) Es liegt im Wesen eines Abfindungsvergleichs, der die Kapitalisierung zukünftig fällig werdender Leistungen beinhaltet, dass er mehr als eine technisch-mathematische Zusammenfassung der Ansprüche darstellt. Wer eine Kapitalabfindung wählt, nimmt das Risiko in Kauf, dass maßgebliche Berechnungsfaktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Die Entscheidung für eine Kapitalabfindung wird er trotzdem dann treffen, wenn es ihm vorteilhaft erscheint, alsbald einen Kapitalbetrag zur Verfügung zu haben. Andererseits will und darf sich der Schädiger darauf verlassen, dass mit der Bezahlung der Kapitalabfindung, die gerade auch zukünftige Entwicklungen einschließen soll, die Sache für ihn ein für allemal erledigt ist (vgl. BGH, a.a.O.;...

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