Leitsatz (amtlich)

1. Die Gemeinschaftsunterbringung in einer Haftzelle, die dem einzelnen Gefangenen lediglich eine Bodenfläche von ca. 4 qm bietet und die selbst bei der Benutzung der Toilette seine Intimsphäre nicht wahrt, genügt nicht den Anforderungen an eine menschenwürdige Inhaftierung.

2. Das zumindest fahrlässige Versäumnis des Inhaftierten, sich an den gem. § 126 StPO zuständigen Richter zu wenden, um ihn zu veranlassen, die nach den Vorschriften der StPO erforderlichen Maßnahmen anzuordnen und durchzusetzen, schließt gem. § 839 Abs. 3 BGB eine etwaige Ersatzpflicht des Landes aus.

3. Die Garantie des Art. 5 EMRK bezieht sich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Untersuchungs- oder Strafhaft; zudem greift der Einwand des § 839 Abs. 3 BGB auch gegenüber einem Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK.

4. Eine rechtskräftige Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Modalitäten der Unterbringung entfaltet für den auf diese Modalitäten der Unterbringung gestützten Amtshaftungsprozess Bindungswirkung.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Beschluss vom 11.03.2005; Aktenzeichen 21 O 211/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Zivilkammer 1 des LG Stendal vom 11.3.2005 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller beabsichtigt, im Wege der Klage das Land Sachsen-Anhalt auf Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. insgesamt 108.300 EUR wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Anspruch zu nehmen. Er erhebt den Vorwurf, dass er sowohl während der Zeit seiner Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt D. als auch im Verlaufe seines jetzigen Aufenthalts im Landeskrankenhaus für forensische Psychiatrie U. unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht gewesen sei.

Der Antrag, ihm für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist vom LG durch Beschluss vom 11.3.2005 mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen worden. Gegen die ihm am 29.3.2005 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.4.2005, der am 28.4.2005 beim LG eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat der Beschwerde in seinem Beschluss vom 29.4.2005 nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Nach § 114 ZPO erhält eine Partei auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An der zuletzt genannten Voraussetzung, nämlich der hinreichenden Erfolgsaussicht, fehlt es im vorliegenden Fall, wie das LG zu Recht angenommen hat.

1. Dem Antragsteller steht gegen das Land kein Anspruch auf eine Geldentschädigung für die Zeit des Vollzugs der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt D., vom 11.8.1997 bis zum 22.6.1998, zu. Eine - an sich in Betracht kommende - Amtshaftung des Landes gem. §§ 839, 847 BGB a.F., Art. 34 GG (vgl. BGH v. 4.11.2004 - III ZR 361/03, MDR 2005, 447 = BGHReport 2005, 232 = NJW 2005, 58 ff.) scheidet hier deshalb aus, weil der Antragsteller es i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB unterlassen hat, einen möglichen Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Gleiches gilt für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

a) Allerdings spricht viel für die Annahme, dass der Antragsteller durch die Art und Weise der Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt D. in seiner durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde verletzt worden ist und den Bediensteten des Landes insofern eine Amtspflichtverletzung zur Last fällt. Wie der Antragsgegner mitgeteilt hat, war der Häftling jeweils zusammen mit zwei weiteren Mitgefangenen in Hafträumen von 11,93 qm, 11,99 qm sowie 14 qm Größe untergebracht; lediglich eine ca. 1,30 m hohe bewegliche Schamwand trennte den jeweiligen Sanitärbereich von der übrigen Haftzelle ab (s. Schriftsatz vom 4.10.2004, Bl. 43 d.A.). Demgegenüber hätte der Antragsteller als Untersuchungshäftling bereits nach § 119 Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich nicht mit anderen Gefangenen in demselben Raum untergebracht werden dürfen. Jedenfalls aber genügte die Gemeinschaftsunterbringung in einer Haftzelle, die dem einzelnen Gefangenen lediglich eine Bodenfläche von ca. 4 qm bot und die selbst bei der Benutzung der Toilette seine Intimsphäre nicht wahrte, nach ständiger Rechtsprechung nicht den Anforderungen an eine menschenwürdige Inhaftierung (vgl. BVerfG v. 27.2.2002 - 2 BvR 553/01, NJW 2002, 2699 [2700] u. [2700], [2701]; BGH v. 4.11.2004 - III ZR 361/03, MDR 2005, 447 = BGHReport 2005...

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