Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Zustellung; Verjährungsablauf bei Wohnsitzwechsel des Schuldners

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung von Klage und Versäumnisurteil und zum Verjährungsablauf bei einem Wohnsitzwechsel des beklagten Schuldners.

 

Normenkette

ZPO § 185; BGB § 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 206

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 17.09.2010; Aktenzeichen 3 O 253/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Bonn vom 17.9.2010 (3 O 253/08) abgeändert und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des LG vom 30.9.2008 abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung aus einem Kaufvertrag in Anspruch, den die Parteien am 5.8.2005 über einen C. Touring zum Preis von 60.501,58 EUR geschlossen haben. Der Beklagte, der als Wohnsitz die Anschrift Q. Weg ..., ... B., angegeben hatte, verpflichtete sich zu einer einer Anzahlung von 20.000 EUR; den Restbetrag finanzierte er über ein Darlehen der C.-Bank. Mit der bei Gericht am 23.7.2008 eingegangenen Klage macht die Klägerin eine offenstehenden Forderung i.H.v. 22.895,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinsatz seit dem 28.3.2006 geltend. Sie trug vor, der Beklagte habe seinen im Vertrag genannten Wohnsitz in B. aufgegeben und sein neuer Aufenthalt sei unbekannt. Eine Anfrage bei dem Einwohnermeldeamt am vorigen Wohnort des Beklagten in B. habe ergeben, dass sich der Beklagte ohne nähere Angaben nach D. in T. abgemeldet habe. Auch durch die mehrmalige Beauftragung des Ermittlungsdienstes J. habe der Aufenthaltsort nicht ermittelt werden können. Lediglich eine Freundin des Beklagten und deren Mutter seien unter der Anschrift G. M. 00 in B. ermittelt worden; diese hätten angegeben, die Post an den Beklagten weiterzuleiten, seien aber nicht bereit gewesen, seine aktuelle Anschrift mitzuteilen.

Das LG hat am 7. 8 2008 die öffentliche Zustellung der Klageschrift bewilligt. Durch Versäumnisurteil vom 30.9.2008 hat es der Klage stattgegeben und die Einspruchsfrist auf vier Wochen festgesetzt. Außerdem hat es mit Beschluss vom selben Tag die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils bewilligt. Der Beklagte hat gegen mit einem Schriftsatz, der am 7.7.2009 bei Gericht eingegangen ist, Einspruch gegen das Versämnisurteil eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des Versämnisurteils abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die öffentliche Zustellung sei unzulässig und damit unwirksam gewesen. Die Kägerin habe jederzeit per Postfach, Telefon oder Email Kontakt mit ihm aufnehmen können. Diese Kontaktdaten habe er auch nach seinem Umzug an seinen jetzigen Wohnsitz in Belgien beibehalten. Dort habe er sich ordnungsgemäß angemeldet. Hilfsweise hat er die Wiedereinsetzung in der vorigen Stand bezüglich der Einspruchsfrist beantragt. In der Sache hat er gegen die Klageforderung die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat durch das angefochtene Urteil den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und den Einspruch gegen das Versämnisurteil als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Einspruch sei verfristet. Die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung hätten vorgelegen. Die Klägerin habe ausreichende Bemühungen unternommen, den Wohnsitz des Beklagten zu ermitteln. Die Kenntnis der Bekannten des Beklagten sei unerheblich, da sie den Aufenthaltsort nicht preisgegeben hätten. Auch die seitens des Beklagten behauptete Möglichkeit der Kontaktaufnahme über Telefon, Postfach oder Email sei unerheblich, weil hierüber keine förmliche Zustellung erfolgen könne.

Hiergegegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils und Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zur Begründung wiederholen und vertiefen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist unter Aufhebung des Versäumnisurteils abzuweisen.

1. Der Einspruch des Beklagten gegen das Versämnisurteil war rechtzeitig, weil die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht wirksam war.

a) Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die öffentliche Zustellung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt, wenn er nicht nur dem Gericht und dem Gegner, sondern allgemein unbekannt ist (BGHZ 149, 311 [314] = NJW 2002, 827 [828]; Zöll...

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