Verfahrensgang

LG Gießen (Aktenzeichen 6 O 34/05)

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt als Insolvenzverwalterin der A-AG die Beklagten als ehemalige Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder auf Schadensersatz in Anspruch. Grundlage ist der Kauf und Verkauf von eigenen Aktien der Gesellschaft durch den Vorstandsvorsitzenden, den Beklagten zu 1), im Zeitraum vom 2.5.2000 bis 29.12.2000, der einen Verlust in Höhe der Klageforderung herbeigeführt hat.

Die Klägerin ist der Auffassung, es habe sich dabei um unzulässigen Handel mit eigenen Aktien gehandelt, der nicht vom Beschluss der Hauptversammlung vom 29.6.1999 gedeckt sei, der eine Ermächtigung des Vorstands i.S.d. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG beschlossen habe.

Die Beklagten haben sich damit verteidigt, dass kein unzulässiger Handel vorgelegen habe und außerdem der Erwerb von Aktien für Herrn B vom Beschluss der Hauptversammlung vom 29.6.1999 gedeckt sei. Ein Schaden sei der Gesellschaft außerdem nicht entstanden.

Die Beklagten zu 1-4) haben umfangreiche Aufrechnungen mit Gegenforderungen erklärt, der Beklagte zu 1) hat Hilfswiderklage erhoben. Die Klägerin hat hilfsweise die Klage gegen den Beklagten zu 2) erweitert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage gegen die Beklagten zu 5-7), die Aufsichtsratsmitglieder, durch Teilurteil abgewiesen.

Es hat zur Begründung folgendes ausgeführt:

Für das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gem. §§ 116, 93 AktG komme es nur auf den Zeitraum vom 5.10.-7.11.2000 an. Denn nur in diesem Zeitraum sei der Gesellschaft durch den Erwerb eigener Aktien ein Schaden entstanden.

Es sei zwischen 3 Zeiträumen zu differenzieren:

1. Dem Erwerb von Aktien zwischen dem 5.4.2000 und 24.7.2000, die sämtlich zwischen dem 2.5. und 24.7.2000 verkauft worden seien.

2. Dem Erwerb und Verkauf von Mitarbeiteraktien zwischen dem 19.9. und 29.9.2000.

3. Dem Erwerb von Aktien zwischen dem 5.10. und 7.11.2000, die am 22.12.2000 verkauft worden seien.

Diese Zeiträume seien getrennt zu beurteilen, da ein einheitlicher Verwendungszweck des Handeltreibens nicht beabsichtigt gewesen sei. Maßgeblich sei eine Gesamtschau des Zwecks anhand objektiver und subjektiver Gesichtspunkte.

Es könne dabei dahinstehen, ob vorherige Geschäfte als einheitliche Kurspflege anzusehen seien. Jedenfalls der Erwerb im dritten Abschnitt sei ein eigenständig zu beurteilender Erwerbsvorgang gewesen, da dessen Zweck darin bestanden habe, die Aktien dem neu zu gewinnenden Vorstandsmitglied B zukommen zu lassen. Dies ergebe sich aus dem Gesamtablauf, den vertraglichen Vereinbarungen und der Notwendigkeit, eine Anzahl von 250.000 Aktien für Herrn B ohne größere Kursschwankungen zu erhalten. Ob dies der einfachste oder sinnvollste Weg gewesen sei, könne dahinstehen, da jedenfalls die entsprechenden Aktien zusammen mit anderen bei der Bank vorhandenen von Herrn B am 22.12.2000 erworben worden seien. Damit scheide eine Motivation der Kurspflege oder Gewinnerzielung aus. Dass am 29.12.2000 noch 7 Aktien verkauft worden seien, sei angesichts der Geringfügigkeit nicht geeignet, einen einheitlichen Zusammenhang des Handeltreibens herzustellen.

Der Erwerb von Aktien für das Vorstandsmitglied sei allerdings weder von § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG noch von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG gedeckt gewesen. Die Nr. 2 erfasse Organmitglieder nicht, die Nr. 8 sehe zwar nicht vor, dass der Hauptversammlungsbeschluss einen Erwerbszweck bestimmen müsse, dennoch sei angesichts der Systematik des § 71 AktG keine freie Veräußerung an Vorstandsmitglieder möglich, weil dies einen Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre darstelle, der nach den §§ 186, 193 AktG einen ausdrücklichen Beschluss der Hauptversammlung erfordere. Deshalb komme es auf die Frage, ob gem. §§ 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, 274 Abs. 4 HGB die erforderliche Rücklage hätte gebildet werden können, nicht an.

Es sei auch ein Schaden i.S.d. §§ 116, 93 Abs. 3 AktG entstanden, da es dafür nur auf den Mittelabfluss bei Erwerb der Aktien ankomme, nicht etwa darauf, dass bei Wiederverkauf ein Schaden entstehe.

Es fehle allerdings an einer Pflichtverletzung der Beklagten zu 5-7), da diese sich angesichts der Erörterungen in der Aufsichtsratssitzung vom 10.5.2000 und den Warnungen der Wirtschaftsprüfer darauf hätten verlassen können, dass der Beklagte zu 1) von weiteren Geschäften Abstand nehme. Die Schwelle für das Eingreifen zur Verhinderung von Geschäften des Vorstands liege hier höher, da keine konkreten Verdachtsmomente bestanden hatten und es nicht um persönliche Bereicherung gegangen sei.

Die Ausübung des Einsichtsrechts sei nur bei konkreten Anhaltspunkten für weiteren Aktienerwerb erforderlich gewesen. Die Nachfrage des Beklagten zu 7) am Rande der Aufsichtsratssitzung vom 15.8.2000 hinsichtlich des Handels mit eigenen Aktien habe der Beklagte zu 1) zutreffend verneint, da alle Aktien zum 24.7.2000 verkauft gewesen seien. Bis zur Aufsichtsratssitzung vom 7.11.2000 seien sämtli...

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