Leitsatz (amtlich)

1. Eine ordnungsgemäße Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung (hier: einer Haftandrohung) nach § 16 Abs. 3 S. 1 FGG setzt voraus, dass die Entscheidung im vollen Wortlaut durch den Richter mündlich verkündet und zu Protokoll genommen wird und die Verkündung und die Anwesenheit der Beteiligten vermerkt wird.

2. Bei einem sprachunkundigen Ausländer ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen, der die durch das Gericht verkündete Entscheidung übersetzt, damit sich der Ausländer nach Kenntnisnahme der vollständigen Begründung der Entscheidung darüber schlüssig werden kann, ob er ein Rechtsmittel einlegt.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 29.03.2004; Aktenzeichen 26 T 64/04)

AG Darmstadt (Aktenzeichen 271-XIV 22/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

Der Betroffene befindet sich seit dem 22.8.2003 in Zurückweisungshaft. Mit Beschluss vom 19.2.2004 verlängerte das AG Darmstadt die Zurückweisungshaft um weitere drei Monate bis längstens 21.5.2004.

Nach dem Protokoll der richterlichen Anhörung durch den Abschiebungshaftrichter vom 19.2.2004 wurde dem Betroffenen "der anliegende Beschluss verkündet, eine Rechtsmittelbelehrung mündlich und schriftlich erteilt und vom Dolmetscher übersetzt." Außerdem wurde dem Betroffenen eine Beschlussausfertigung mit angehefteter Rechtsmittelbelehrung ausgehändigt.

Am 10.3.2004 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen dem AG schriftlich an, dass ihn der Betroffene mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt habe. Gleichzeitig bat er um "Überlassung des Beschlusses sowie des Antrags der zuständigen Ausländerbehörde". Nach der Verfügung des Abschiebungshaftrichters vom 10.3.2004 wurden dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen Kopien der Seiten 1 und 2 (Antrag) sowie 8 bis 15 (Protokoll und Beschluss ohne Rechtsmittelbelehrung) der Gerichtsakte übersandt.

Mit Schriftsatz vom 18.3.2004 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen gegen den amtsgerichtlichen Beschluss sofortige Beschwerde ein.

Mit Verfügung vom 23.3.2004 hat das LG die Verfahrensakte dem AG mit der Bitte um Mitteilung zurückgesandt, welche Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde. Gleichzeitig hat das LG gebeten, eine Kopie des entsprechenden Vordrucks beizufügen.

Mit Verfügung vom 25.3.2004 hat der Abschiebungshaftrichter die Verfahrensakte dem LG unter Beifügung einer Kopie des erbetenen Vordrucks mit folgendem Vermerk zurückgereicht:

"Bei der Verkündung des Beschlusses am 19.2.2004 wurde dem Betroffenen eine Beschlussausfertigung ausgehändigt, an welchen die umseitige Rechtsmittelbelehrung angeheftet war.

Die Anheftung wird stets von mir persönlich vorgenommen, und ich achte auch jeweils darauf, dass der/die eingesetzte Dolmetscher(in) einem Betroffenen bei Beschlusseröffnung die umseitige Rechtsmittelbelehrung mit übersetzt."

Die Rechtsmittelbelehrung hat folgenden Wortlaut:

"Gegen diese Anordnung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Verkündung dieser Anordnung bei dem AG Darmstadt oder dem LG Darmstadt eingegangen sein muss."

Ohne den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen von der Rückgabe der Gerichtsakte an das AG, über den Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung und über den Vermerk des Abschiebungshaftrichters vom 25.3.2004 zu unterrichten, hat das LG mit Beschluss vom 29.3.2004 die sofortige Beschwerde des Betroffenen als unzulässig verworfen. Es hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

"... Der Beschluss vom 19.2.2004 einschließlich der beigefügten, ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung wurde dem anwesenden Betroffenen verkündet, übersetzt und übergeben, wie sich aus dem Protokoll der richterlichen Anhörung vom 19.2.2004 ergibt. Damit ist ihm der Beschluss gem. §§ 3 S. 2 FEVG, 16 Abs. 3 S. 2 FGG wirksam bekannt gemacht worden. Die 2-Wochenfrist für die sofortige Beschwerde gem. §§ 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 22 Abs. 1 FGG lief demgemäß am 4.3.2004 ab, ohne dass Beschwerde eingelegt worden wäre ...."

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 1.4.2004 hat der Betroffene gegen den landgerichtlichen Beschluss sofortige weitere Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, das Rechtsmittel vom 18.3.2004 sei fristgerecht eingelegt, weil ihm der amtsgerichtliche Beschluss ausweislich des Übersendungsschreibens des AG Darmstadt vom 10.3.2004 am 16.3.2004 "zugestellt" worden sei.

Das Rechtsmittel ist zulässig und hat in der Sache den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

Nach Auffassung des Senats, der als Rechtsbeschwerdegericht gehindert ist, eigene Ermittlungen anzustellen, steht bisher nicht mit genügender Sicherheit fest, dass der amtsgerichtliche Haftanordnungsbeschluss dem Betroffenen nach § 16 Abs. 3 FGG ordnungsgemäß bekannt gemacht und damit die Rechtsmittelfrist von zwei Wochen am 19.2.2004 in Lauf gesetzt wurde.

Das Gesetz eröffnet dem Gericht durch § 16 Abs. 3 S. 1 FGG die ...

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