Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhalt eines auf den Vertrieb von Produkten gerichteten Unterlassungstenors
Leitsatz (amtlich)
Ein auf den Vertrieb von Produkten gerichteter Unterlassungstenor umfasst nicht die Verpflichtung des Schuldners, diese Produkte von Händlern, die nicht in seine Vertriebsstruktur eingegliedert sind, zurückzurufen (Abgrenzung zu BGH GRUR 2016, 720 [BGH 19.11.2015 - I ZR 109/14] - HOT SOX).
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.06.2016; Aktenzeichen 3-10 O 126/15) |
Nachgehend
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert. Der Vollstreckungsantrag der Antragstellerin vom 23.10.2015 wird zurückgewiesen.
Die gegen die Streitwertfestsetzung gerichtete Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens zu tragen.
Hinsichtlich der Entscheidung über den Vollstreckungsantrag wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Beschwerdewert: 1.800,- EUR
Gründe
I. Das LG hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 28.9.2015 untersagt, im geschäftlichen Verkehr Verpackungen von Produkten zur Wundversorgung, die mit dem Kennzeichen "X" und/oder "X/Y" gekennzeichnet sind, ohne Zustimmung der Markeninhaberin durch Aufbringen eines Klebeetiketts wie im Beschluss abgebildet zu verändern sowie veränderte Verpackungen abzugeben, in Verkehr zu bringen und zu bewerben. Das Verbot ist auf § 14 II Nr. 1 MarkenG und Art. 9 I S. 2 lit. a) UMV gestützt.
Außerdem hat es der Antragsgegnerin untersagt, entsprechende Produkte in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, denen eine wie im Beschluss wiedergegebene umgestaltete Gebrauchsinformation beigefügt ist, ohne für dieses Produkt im Hinblick auf den Umpackvorgang eine Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 MPG durchgeführt zu haben. Das Verbot ist auf § 6 MPG i.V.m. §§ 8, 3a UWG gestützt.
Die die einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin spätestens am 6.10.2015 zugestellt worden. Sie hat Widerspruch eingelegt. Mit Urteil vom 22.1.2016 hat das LG die einstweilige Verfügung bestätigt.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 23.10.2015 hat das LG gegen die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 6.6.2016 wegen Zuwiderhandlung gegen die mit einstweiliger Verfügung vom 28.9.2015 ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 1.800,00 verhängt. Den Streitwert des Ordnungsmittelverfahrens hat es auf EUR 46.666,67 festgesetzt. Gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes und die Festsetzung des Streitwerts für das Vollstreckungsverfahren wendet sich die Antragsgegnerin mit der (sofortigen) Beschwerde.
Sie beantragt, den Ordnungsmittelbeschluss aufzuheben und die Kosten des Verfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen; hilfsweise das Ordnungsgeld (auf einen niedrigen dreistelligen betrag) herabzusetzen; sowie den Streitwert für das Ordnungsmittelverfahren auf allenfalls einen niedrigen vierstelligen Betrag herabzusetzen.
Das LG hat den Beschwerden mit Beschluss vom 20.7.2016 nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerden sind zulässig. In der Sache hat nur die gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes gerichtete Beschwerde Erfolg.
1. Ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung liegt nicht vor.
a) Das Verbot richtet sich gegen das Inverkehrbringen von Markenprodukten der Antragstellerin, die auf eine bestimmte Weise umgestaltet wurden. Die Antragstellerin wirft der Antragsgegnerin vor, dass sie nach Zustellung der einstweiligen Verfügung entweder Abnehmer weiter beliefert hat oder jedenfalls ihre Abnehmer, die zuvor Ware erhalten hatten, von dem Verbot nicht informiert hat.
b) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die fraglichen Produkte nach Zustellung der einstweiligen Verfügung weiter in Verkehr gebracht hat oder in Verkehr bringen ließ. Entgegen der Ansicht des LG hat die Antragsgegnerin auch nicht dadurch gegen das gerichtliche Verbot verstoßen, dass sie keine Maßnahmen ergriffen hat, um die rechtsverletzend gekennzeichneten Produkte von Großhändlern zurückzurufen, an die sie bereits vor Zustellung der einstweiligen Verfügung ausgeliefert worden waren.
aa) Der Schuldner eines gerichtlichen Verbots muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Bei den Oberlandesgerichten wird nicht einheitlich beurteilt, ob ein Vertriebsverbot im Regelfall auch die Obliegenheit umfasst, bereits ausgelieferte Ware vom Großhandel zurückzurufen.
(1) Teilweise wird dies angenommen. Der Unterlassungsschuldner müsse aktiv tätig werden, um nach Kräften auch die Verletzung abzuwenden, die auf Grund bereits vorgenommener Handlungen drohe. Dies gelte selbst dann, wenn die Abnehmer nicht in die Vertriebsorganisation der Schuldnerin eingebunden wären (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2008, 365; KG WRP 1998, 627, 628; OLG Zweibrücken, GRUR 2000, 921; Köhler/Feddersen in K...