Leitsatz (amtlich)

Eine individuelle Vereinbarung (hier: mündliche Reduzierung der Miete) hat nach § 305b BGB auch Vorrang vor einer in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines gewerblichen Mietvertrages enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel, wonach auch Änderungen der Schriftformklausel der Schriftform bedürfen.

 

Normenkette

BGB § 305b

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Urteil vom 07.12.2005; Aktenzeichen 2 O 102/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.12.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Krefeld - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung des Vollstreckungsbescheides und Zurückweisung seiner auf Zahlung rückständiger Miete für die Monate Oktober 2004 bis Januar 2005 i.H.v. gesamt 13.474,28 EUR gerichteten Klage. Er macht mit der Berufung geltend, das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Mietzins einvernehmlich reduziert worden sei. Es habe verkannt, dass nach § 21 des Mietvertrages auch eine Abänderung der Schriftformklausel der Schriftform bedurft hätte. Überdies habe es sein Urteil zu Unrecht auf die Aussage der Zeugin A. gestützt, da diese durch die Aussage des Zeugen M. als widerlegt anzusehen sei.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen ursprünglichen Klageantrag auf Aufrechterhaltung des ergangenen Vollstreckungsbescheides weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 71 f. GA) Bezug genommen.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Entgegen der Auffassung der Berufung scheitert die Annahme einer wirksamen mündlichen Mietzinsreduzierungsvereinbarung nicht an der in § 21 S. 2 des Mietvertrages (Bl. 33 GA) geregelten Schriftformklausel. Hierbei handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die - wenn man von ihrer Wirksamkeit ausgeht - jedenfalls nach § 4 AGBG/§ 305b BGB dem Vorrang der Individualabrede unterliegt und damit auch durch eine nachträgliche, individuelle und formlos mögliche Absprache abgeändert werden kann.

In Bezug auf eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene einfache Schriftformformklausel, wonach Abänderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, hat der BGH ausgeführt: Nachträgliche mündliche Individualvereinbarungen haben auch vor Schriftformklauseln in Formularverträgen über langfristige Geschäftsraummietverhältnisse Vorrang. Vereinbaren die Parteien nach dem Abschluss eines Formularvertrages eine Änderung mittels Individualabsprache, so hat diese Änderung Vorrang vor kollidierenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit diesen bewusst geworden sind. Auch kommt es auf die Form der individuellen Abrede nicht an, sie kann ausdrücklich oder stillschweigend, insb. auch mündlich getroffen werden. Gegenüber dem später von den Parteien übereinstimmend Gewollten muss das Interesse des Klauselverwenders bzw. beider Vertragsparteien, nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die langfristige beiderseitige Bindung zu gefährden, zurücktreten (BGH, Beschl. v. 21.9.2005 - XII ZR 312/02, BGHReport 2006, 77 m. Anm. Bieber = MDR 2006, 508= ZMR 2006, 104 f., m.w.N.).

Entsprechendes muss auch hinsichtlich einer in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel gelten, wonach auch Änderungen der Schriftformklausel der Schriftform bedürfen. Auch insoweit hat die individuelle Vereinbarung nach § 4 AGBG/§ 305b BGB Vorrang vor der Allgemeinen Geschäftsbedingung, wobei weder eine besondere Form der individuellen Vereinbarung noch ein Bewusstsein der Parteien, die allgemeinen Geschäftsbedingungen abzuändern, zu fordern ist. Dies folgt aus den weiteren Ausführungen des BGH in der bereits zitierten Entscheidung. Darin wird lediglich die Abänderung einer qualifizierten Schriftformklausel, die individuell vereinbart war, besonders erwähnt und ausgeführt, dass hieran zusätzliche Anforderungen zu stellen sind. Der BGH führt insoweit unter Bezugnahme auf seine Entscheidung in BGHZ 66, 378 [381 f.] aus: Werde von einer solchen qualifizierten Schriftformklausel, die individuell vereinbart war, abgewichen, sei ein bewusstes Abweichen von der Schriftformklausel nötig; in solchen Fällen finde der Vorrang der Individualabrede keine Anwendung. Die individuell vereinbarte qualifizierte Schriftfor...

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