Leitsatz (amtlich)

Die Berufung auf Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform bei einem längerfristigen gewerblichen Mietvertrag ist (ausnahmsweise) dann treuwidrig, wenn eine vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung der Schriftform (hier für eine Nachtragsvereinbarung bzgl. eines im Mietvertrag offen gelassenen Punktes) besteht.

 

Normenkette

BGB a.F. § 566 (= BGB n.F. § 550 Abs. 1)

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 31.10.2003; Aktenzeichen 4 O 159/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 31.10.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Hannover abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.149,92 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB auf jeweils 5.574,96 EUR seit dem 7.4.2003 und dem 5.5.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer und der Streitwert für das Berufungsverfahren betragen 11.149,92 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger, Vermieter einer Gewerbeimmobilie (Teile des Grundstücks B.-Straße in H., bestehend aus einem Gebäude und einer Freifläche), hat von der Beklagten, seiner Mieterin, die gegen seinen Widerspruch das Mietverhältnis ordentlich gekündigt und das Mietobjekt Ende März 2003 geräumt hat, Zahlung des Mietzinses in der bisher gezahlten (unstreitigen) Höhe von (5.574,96 EUR entsprechend 10.903,67 DM pro Monat) für die Monate April und Mai 2003 verlangt. Wegen des erstinstanzlichen Sachverhalts wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen, da der Mietvertrag wegen nicht eingehaltener Schriftform (§ 566 BGB a.F. = § 550 Abs. 1 BGB n.F.) als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte und von der Beklagten fristgerecht gekündigt sei. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Mieten für die Monate April und Mai 2003 in geltend gemachter Höhe von insgesamt 11.149,92 EUR nebst Zinsen für das mit dem schriftlichen Mietvertrag vom 12./18.8.1995 (Bl. 3-9 d.A.) in Verbindung mit dem Schreiben des Klägers vom 11.9.1995 (Bl. 52, 53 d.A.) angemietete Gewerbeobjekt. Die (ordentliche) Kündigung des für 10 Jahre (1.9.1995 bis 31.8.2005) abgeschlossenen Mietverhältnisses durch die Beklagte mit Schreiben vom 1.8.2002 schon zum 1.3.2003 (Anlage B 5 = Bl. 56 d.A.) ist unwirksam; das Mietverhältnis konnte allenfalls aufgrund einer wirksamen späteren mündlichen Vereinbarung zum 30.6.2003 gekündigt werden, wie (zunächst) mit Schreiben der Beklagten vom 17.6.2002 (Anlage B 3 = Bl. 54 d.A.) auch geschehen.

Der schriftliche Mietvertrag und das ihn ergänzende Schreiben des Klägers vom 11.9.1995 nebst Lageplan genügen zwar hinsichtlich der Lage und Flächengröße der mitvermieteten Freifläche nicht dem Schriftformerfordernis des § 566 BGB a.F. Darauf kann sich die Beklagte aber nicht berufen, da sie nach Treu und Glauben vertraglich verpflichtet ist, mit dem Kläger eine dessen Schreiben vom 11.9.1995 entsprechende und formgerechte Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag bzgl. der Freifläche abzuschließen, was dann auch für die gesamte aus diesem Schreiben ersichtliche Vereinbarung der Parteien einschließlich des dort bestimmten (Sonder)Kündigungsrechts der Beklagten zum 30.6.2003 gelten dürfte, da nicht ersichtlich ist, dass die Parteien einzelne Bestimmungen der mündlichen Vereinbarung nach Maßgabe des Schreibens des Klägers vom 11.9.1995 nicht später schriftlich als Ergänzung zum Mietvertrag niederlegen wollten (vgl. §§ 133, 157 BGB).

1. Der schriftliche Mietvertrag enthält keine Angabe über die genaue Lage und Größe der zusätzlich zu dem vermieteten Gebäude vermieteten Freifläche; dazu heißt es in § 1 Abs. 3 des Mietvertrages (Bl. 3 d.A.) ausdrücklich: "Die ebenfalls vermietete Freifläche, die gemeinsam noch festgelegt wird, wird in einem weiteren Lageplan, der genauso Bestandteil des Mietvertrages ist, rot markiert eingetragen." Damit war der schriftliche Mietvertrag vom 12./18.8.1995 in einem wesentlichen Punkt (Lage und Größe der mitvermieteten Freifläche und somit auch zur Höhe des dafür zu zahlenden Mietzinses, der insoweit nur mit 3 DM/qm vereinbart war) lückenhaft, so dass die gesetzliche Schriftform des § 566 BGB a.F. (jetzt § 550 Abs. 1 BGB n.F.), die für alle wesentlichen Einzelheiten eines langfristigen Mietvertrages einzuhalten ist, nicht gewahrt war mit der Folge, dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen galt und, wäre es hierbei geblieben, von der Beklagten mit Schreiben vom 1.8.2002 (Anlage B 5 = Bl. 56 d.A.) wirksam zum 31.3.2003 hätte gekündigt werden können (vgl. § 580a Abs. 2 BGB n.F. = § 565 Abs. 1a BGB a.F.), so dass ein Anspruch des Klägers auf den streitgegenständlichen Mietzins für die Monate April und Mai 2003 gegen die Beklagte nicht bestanden hätte.

2. In dem Schreiben des Klägers vom 11.9.1995 (...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge