Leitsatz (amtlich)

›Ein verlängerter Unterhalt über drei Jahre hinaus kommt schon dann in Betracht, wenn der Aufschub der Aufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Mutter aus objektiver Sicht wegen der besonderen Bedürfnisse des Kindes als vernünftig und dem Kindeswohl förderlich erscheint‹

 

Verfahrensgang

AG Neustadt a. Rbge. (Aktenzeichen 34 F 917/2000)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.03.2003; Aktenzeichen XI ZR 422/01)

 

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung des Beklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten für den Zeitraum vom 4. Juni 2000 bis 31. Oktober 2000 ein Anspruch auf Elementarunterhalt gemäß § 1615 l BGB und ein Anspruch auf Krankenvorsorgeunterhalt gemäß § 1578 Abs. 3 BGB analog in Höhe von insgesamt 9.036,83 DM (Krankenvorsorgeunterhalt 1.489,18 DM + Elementarunterhalt 7.547,65 DM) zu. Die weitergehende Unterhaltsforderung ist nicht gerechtfertigt.

Soweit der Beklagte geltend macht, die Klägerin sei auf Grund Übergangs etwaiger Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger nicht prozessführungsbefugt, dringt er mit diesem Einwand nicht durch. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Stadt Neustadt vom 12. Januar 2001 ist zu entnehmen, dass die Klägerin zur Geltendmachung der Unterhaltsansprüche berechtigt ist.

Der Beklagte ist von seiner Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum ab 4. Juni 2000 auch nicht deshalb entbunden, weil die in § 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB genannte Frist von drei Jahren ab Geburt des Kindes mit dem 3. Juni 2000 abgelaufen war. Es wäre unter Berücksichtigung der Belange des Kindes ####### grob unbillig, der Klägerin den Unterhalt für die Zeit vom 4. Juni bis 31. Oktober 2000 zu versagen. Es waren nämlich besondere Umstände in der Person des Kindes ####### vorhanden, die in dem genannten Zeitraum einen im Verhältnis zu einem normalen, vollständig gesunden Kind erhöhten Betreuungsaufwand der Mutter erforderten. Ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen der Therapeuten und Ärzte leidet ####### unter einer Wahrnehmungsstörung und einer deutlichen Verzögerung der Sprachentwicklung. Frederike wurde in dem hier in Streit stehenden Unterhaltszeitraum (insgesamt bereits ab März 2000) zweimal wöchentlich sprach- sowie einmal wöchentlich ergotherapiert. Des Weiteren ergibt sich aus dem von der Klägerin im Verhandlungstermin vorgelegten Bescheid des Landkreises ####### vom 20. August 2001 die Feststellung, dass bei ####### eine wesentliche Behinderung besteht.

Eine grobe Unbilligkeit, die eine Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruchs rechtfertigt, ist nicht erst dann anzunehmen, wenn das zu betreuende Kind unter einer dauernden schweren Krankheit oder schweren Behinderung leidet. Vielmehr kann sie schon dann gegeben sein, wenn - wie im vorliegenden Fall - bestimmte Störungen vorhanden sind, die für den betreuenden Elternteil einen besonderen persönlichen und zeitlichen Aufwand verursachen (vgl. insoweit Staudinger/Engler, § 1615 l, RdNr. 59; Palandt/Diederichsen, 60. Auflage, § 1615 l, RdNr. 22; Göppinger/Wax, 7. Auflage, RdNr. 1247; Büdenbender, FamRZ 1998, S. 136). Der bei ####### wegen ihrer Beeinträchtigungen bestehende Betreuungsbedarf (durch Wahrnehmung ambulanter Therapiemaßnahmen und Erforderlichkeit vermehrter Zuwendung an das Kind zum Ausgleich der Entwicklungsdefizite) hat ein Ausmaß, das den mit der Betreuung eines gleichaltrigen altersgemäß entwickelten Kindes üblicherweise verbundenen Aufwand deutlich übersteigt. Die Schwelle für die Entstehung des verlängerten Unterhaltsanspruchs gemäß § 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB ist bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift, die das Gebot der grundsätz-lichen Gleichbehandlung von Kindern verheirateter und unverheirateter Eltern zu beachten hat, niedrig anzusetzen. Der Gesetzgeber hat sich zwar gegen die Ein-führung eines zeitlich unbefristeten Unterhaltsanspruchs - wie er der geschiedenen Mutter gemäß § 1570 BGB zugebilligt wird - für die nicht verheiratete Mutter ent-schieden (vgl. Wendl/Pauling, 5. Auflage, § 6 RdNr. 763 a; kritisch: Puls, FamRZ 1998, S. 868). Der Unterhaltsanspruch endet daher im Regelfall drei Jahre nach der Geburt des Kindes und kann nur unter besonderen Voraussetzungen aus Billigkeitsgründen über diesen Zeitraum hinaus bestehen. Bei der im Einzelfall vorzunehmenden Billigkeitsabwägung ist jedoch die an sich gegebene Schlechterstellung des Kindes unverheirateter Eltern in den durch die gesetzliche Regelung vorgegebenen Grenzen dadurch so weit wie möglich zu mildern, dass dem Interesse des Kindes an der persönlichen Betreuung durch den Elternteil bei Vorliegen von besonderen Umständen, die sich vom Normalfall abheben, ein besonders hohes Gewicht beigemessen wird. Ein verlängerter Unterhalt kommt danach schon dann in Betracht, wenn der Aufschub der Aufnahme der Erwerbstätigkeit aus objektiver Sicht im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse des zu betreuenden Kindes als vernünftig und dem Kindeswohl förderlich ...

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