Entscheidungsstichwort (Thema)

Ursächlichkeit eines Sturzes für eine Rotatorenmanschettenruptur (§ 1 III AU 94); degenerative Vorschäden (§ 8 AUB 94)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Nachweis der Ursächlichkeit eines Unfalls für die dadurch bedingte Gesundheitsschädigung zu führen (§ 1 III AUB 94). Dieser Nachweis kann nach sachverständiger Beratung auch dann geführt sein, wenn der Versicherungsnehmer bei einem Spaziergang auf die Schulter gestürzt ist und erst bei einer etwa 6 Monate später erfolgten Kernspintomographie eine Rotatorenmanschettenruptur festgestellt wird, soweit feststeht, dass es in der Zwischenzeit nicht zu einem weiteren Trauma gekommen ist.

2. Eine Rotatorenmanschettenruptur kann ausnahmsweise auch durch einen Sturz auf die Schulter mitverursacht sein, wenn bereits eine degenerativ verlaufende Verschleißerscheinung vorlag.

3. Eine Kürzung des Anspruchs nach § 8 AUB 94 kommt bei einem alterstypischen normalen Verschleißzustand nicht in Betracht. Ein im Unfallzeitpunkt 72-jähriger Versicherungsnehmer kann daher eine ungekürzte Zahlung aus der Unfallversicherung erhalten, wenn bei ihm der Anteil der degenerativen Vorschäden an den Unfallfolgen 80 % beträgt, es sich nach sachverständiger Einschätzung hierbei aber um eine alterstypische Abnutzung handelt.

 

Normenkette

AUB 94 §§ 1, 8

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen 2 O 149/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.12.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, Alt. 1, § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen, nachdem auch der Senat den Sachverständigen Dr. L. sowie den Kläger angehört hat, eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, Alt. 2 ZPO). Dem Kläger steht wegen seines Sturzes vom 16.3.2003 ein Anspruch auf Zahlung von 19.633,92 EUR aus der mit der Beklagten geschlossenen Unfallversicherung gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. i.V.m. §§ 1, 7 AUB 94 zu.

1. Zunächst liegt ein bedingungsgemäßer Unfall vor. Ein Unfall ist gem. § 1 III AUB 94 gegeben, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin K. und der Anhörung des Klägers (Bl. 99 - 101 d.A.) steht zunächst fest, dass dieser einen Unfall erlitten hat, als er am 16.3.2003 auf einem Waldweg im D. spazieren ging, und auf einem Weg, der eine kleine Wölbung aufwies und mit Schnee bedeckt war, zu Fall kam. Hierbei rutschten dem Kläger beide Füße weg, so dass er nach rechts auf die Seite und die Schulter fiel. Der Kläger hat hierzu ergänzend angegeben, er sei zuerst auf die Schulter gefallen und habe dann instinktiv noch die Hand zu Hilfe genommen, um sich abzustützen. Er vermute, dass sich unter dem Schnee Glatteis befunden habe.

b) Der Kläger hat ferner, wie sich aus Kernspintomographie vom 17.9.2003 ergibt, auch eine unfreiwilligen Gesundheitsschädigung in Form einer Rotatorenmanschettenruptur erlitten (vgl. Bericht des Dr. S. vom 7.10.2003). Hierzu hat der gerichtliche Sachverständige L. in seinem Gutachten vom 3.6.2008 auch ausgeführt, er habe den Befund einer kompletten Ruptur der Supra- und Infraspinatussehne anhand der Aufnahmen selbst nachvollzogen (S. 9 des Gutachtens).

c) Im Ergebnis zutreffend ist das LG auch davon ausgegangen, dass der Unfall vom 16.3.2003 kausal für die Rotatorenmanschettenruptur gewesen ist, auch wenn diese bildgebend erstmals etwa sechs Monate später am 17.9.2003 festgestellt wurde. Der Versicherungsnehmer trägt hierbei die Beweislast (§ 286 ZPO) nicht nur für das Vorliegen des Unfallereignisses und den Eintritt der Gesundheitsschädigung, sondern auch für die Kausalität des Unfalls für die Gesundheitsschädigung und deren Dauerhaftigkeit (BGH VersR 2001, 1547). Erforderlich ist adäquate Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung, wobei Mitursächlichkeit genügt (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 AUB Rz. 23). Der Kausalzusammenhang entfällt nicht deshalb, weil noch andere Ursachen, insbesondere körperliche Anlagen oder Gebrechen, den Schaden beeinflusst oder erst ermöglicht haben. Er ist nur dann nicht mehr gegeben, wenn und soweit die äußere Einwirkung auf den Körper des Versicherten als sog. Gelegenheitsursache lediglich eine bereits bestehende Gesundheitsschädigung vollendet oder sichtbar werden lässt (OLG Hamm VersR 2002, 180; Grimm, AUB, 3. Aufl., § 1 Rz. 50). Für die richterliche Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO reicht hierbei ein praktisches Maß an Gewissheit, welches Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen, während eine absolute oder mathematisch sichere Gewissheit nicht zu fordern ist (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 286 Rz. 19). Diese Kausali...

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