Entscheidungsstichwort (Thema)

Weigerung des Kapitalanlegers, sich durch Übergabe von Emissionsprospekten über die Einzelheiten der empfohlenen Anlage aufklären zu lassen; Einbeziehung des Agios in die Berechnung der Eigenkapitalbeschaffungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weist der Anleger die ihm angebotenen Emissionsprospekte als "Papierkram, mit dem ich nichts zu tun haben will" zurück und erklärt, diese seien ihm zu dick und zu schwer, nimmt er aber einige mündliche Erläuterungen des Anlageberaters durchaus entgegen, gibt es keine Grundlage für die Annahme, er habe über die wesentlichen Anlagerisiken und -eigenschaften nicht in vollem Umfang aufgeklärt werden wollen. Die objektgerechte Beratung muss dann in vollem Umfang mündlich erfolgen.

2. Bei der Prüfung, ob die Eigenkapitalbeschaffungskosten einer Fondsgesellschaft die Grenze von 15 % des einzuwerbenden Eigenkapitals überschreiten, ist das von den Anlegern bezahlte Agio sowohl bei den Eigenkapitalbeschaffungskosten als auch beim eingeworbenen Eigenkapital zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1, § 280 Abs. 1; HGB § 172 Abs. 4; ZPO § 138 Abs. 1, § 445 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen 11 O 344/14)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wird das am 28.10.2015 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.400 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.10.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung an der MT "King David" Tankschifffahrts GmbH & Co. KG im Nennwert von 40.000 EUR.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.233,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.10.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung an der MT "King Edward" Tankschifffahrts GmbH & Co. KG und MT "King Eric" Tankschifffahrts GmbH & Co. KG im Nennwert von 20.000 EUR.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.375 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.10.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung an der MS Kampen GmbH & Co. KG und MS Keitum GmbH & Co. KG im Nennwert von 15.000 EUR.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.200 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.10.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung an der Alpha Patentfonds GmbH & Co. KG im Nennwert von 20.000 EUR.

5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von allen finanziellen Nachteilen freizustellen, die sich aus der Zeichnung der Kommanditbeteiligungen an der MT "King David" Tankschifffahrts GmbH & Co. KG, der MT "King Edward" Tankschifffahrts GmbH & Co. KG und MT "King Eric" Tankschifffahrts GmbH & Co. KG ergeben.

6. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.348,94 EUR freizustellen.

7. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vorstehend genannten Kommanditanteile seit dem 18.10.2014 im Verzug befindet.

8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu einem Achtel und die Beklagte zu sieben Achteln zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Beklagte zum Schadensersatz wegen der Beteiligung des Klägers an der MS Kampen GmbH & Co. KG und MS Keitum GmbH & Co. KG verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 110.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund angeblich fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligungen an drei geschlossenen Schiffsfonds und einem geschlossenen Patentfonds.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat der Klage mit Ausnahme des entgangenen Gewinns stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe den Kläger pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass die...

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