Leitsatz (amtlich)
1. Für die Stellung eines Antrages auf einstweilige Anordnung von Gewaltschutzmaßnahmen gem. § 1 GewSchG, der sich auf die Darstellung der Antragstellerin sowie eine Urkunde über von dieser bei der Polizei gemachte Angaben stützt, ist die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich.
2. Die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung für derartige Anträge kann auch nicht aus einem zusätzlichen Handlungserfordernis im Hinblick auf die Zustellung oder Vollziehung des ergangenen Beschlusses hergeleitet werden.
3. Die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung kann schließlich nicht allein damit begründet werden, die Antragstellerin sei "Ausländerin" bzw. beherrsche die deutsche Sprache nicht perfekt.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 03.05.2011; Aktenzeichen 601 F 2081/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die seit acht Jahren in Deutschland sowie seit 2009 getrennt lebende Ehefrau des Antragsgegners und erstrebt im vorliegenden Verfahren - zum wiederholten Male - im Wege einstweiliger Anordnung diesem gegenüber Gewaltschutzmaßnahmen gem. § 1 GewSchG; zwischen den Eheleuten sind allein seit 2009 insgesamt mindestens sieben weitere familienrechtliche Verfahren vor dem AG Hannover geführt worden bzw. noch rechtshängig, davon mindestens vier weitere Verfahren, in denen (soweit nach dem bis zum 31.8.2009 maßgeblichen Recht: auch) einstweilige Anordnungen Gegenstand waren.
Zur Begründung ihrer - in erheblichen Teilen auch auf den gemeinsamen Sohn der Beteiligten bezogenen - Gewaltschutzanträge hat sie einen sechsseitigen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten, zwei ausführliche, im Original in deutscher Sprache verfasste eidesstattliche Versicherungen vom 29.4. und 2.5.2011, in denen u.a. auch ausdrücklich die Richtigkeit des von der Verfahrensbevollmächtigten gefertigten Schriftsatzes versichert wird, sowie eine von ihr - ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers - vor einem örtlichen Polizeirevier in deutscher Sprache gemachte und als "gelesen, genehmigt und unterschrieben" abgezeichnete ausführliche Aussage vorgelegt. In der Antragsschrift hat sie angegeben, sich in Deutschland etabliert zu haben, von Beruf Lehrerin zu sein und bereits in der Vergangenheit erfolgreich Deutschkurse absolviert zu haben.
Für das Anordnungsverfahren hat sie schließlich um Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht.
Das AG hat mit Beschluss vom 3.5.2011, auf den ergänzend Bezug genommen wird, der Antragstellerin teilweise - nämlich soweit nach § 3 GewSchG hinsichtlich des Sohnes Gewaltschutzanordnungen nicht in Betracht kommen - VKH versagt und im Übrigen - für den sie selbst betreffenden Teil der Gewaltschutzanträge, der durch das AG in einer vollstreckungsfähigen Weise umformuliert worden ist - VKH bewilligt, die Beiordnung einer Rechtsanwältin jedoch auch insofern unter Hinweis auf § 78 Abs. 2 FamFG wegen fehlender Erforderlichkeit abgelehnt, da die Rechtssache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist.
Im Umfang der VKH-Bewilligung hat das AG durch weiteren Beschluss vom 3.5.2011 die erstrebte (umformulierte) einstweilige Anordnung erlassen und durch Zulassung der Vollstreckung vor Zustellung deren sofortige Wirksamkeit herbeigeführt; es hat zugleich auch - als Eilsache und unter Hinweis auf die Unabhängigkeit von einem Kostenvorschuss aufgrund VKH-Bewilligung - die Übermittlung einer vollstreckbaren Beschlussausfertigung an die - zudem vorab per Fax informierte - Gerichtsvollzieherverteilerstelle zum Zwecke der Zustellung veranlasst.
Der Antragsgegner hat sich - wie auch schon im vorangegangenen Gewaltschutzverfahren - in keiner Weise gegen die ergangene Gewaltschutzanordnung zur Wehr gesetzt.
(Allein) gegen die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, das AG "verkenne", dass sie Ausländerin und "der deutschen Sprache nicht mächtig" sei, insbesondere könne sie sich "selbstverständlich in den Feinheiten der Gerichtssprache nicht ausdrücken geschweige denn einen Antrag auf Unterlassung, wie ... für sie gestellt ...,... formulieren"; "daher ist in einem solchen Fall, wo ein Mandant Ausländer ist, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes geboten." Dies gelte "um so mehr, wo das Gericht nicht den vollen Antrag stattgegeben hat, sondern nur Teile des Antrages. Auch die Vollziehung der Vollstreckung ist für die Mandantin nahezu aussichtslos".
Das AG hat mit Beschluss vom 9.6.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt; es hat bei seiner Nichtabhilfe insbesondere auf die forensischen Erfahrungen der Antragstellerin aus den zahlreichen vergleichbaren Verfahren hingewiesen sowie auf die auch aus diesen anderen Verfahren bekannten und sogar formal durch entsprechende bestandene Prüfungen belegten Deutschkenntnisse; insgesamt sei es ihr ohne weiteres möglich...