Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 14.11.2007; Aktenzeichen 7 O 483/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.10.2009; Aktenzeichen III ZR 295/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Braunschweig vom 14.11.2007 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 19.675,13 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch, weil die Beklagte die Hilfeempfängerin Frau S bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert habe, obwohl Frau S erwerbsunfähig gewesen sei und daher keine Versicherungsmöglichkeit bestand.

Das LG Braunschweig hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte zur Zahlung von 19.675,13 EUR verurteilt. Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Bewertungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte, dass das LG Tatsachen fehlerhaft festgestellt habe.

Das LG habe unzutreffend als unstreitig angesehen, dass Frau S erwerbsunfähig gewesen sei. Die Erwerbsunfähigkeit ergebe sich insbesondere nicht aus der amtsärztlichen Stellungnahme vom 4.4.2005, weil darin lediglich festgestellt werde, dass "voraussichtlich" die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit gegeben seien. Gleichwohl habe das LG im unstreitigen Teil des Tatbestandes die bestrittene Erwerbsunfähigkeit aufgeführt. In den Entscheidungsgründen sei der Beklagten vorgehalten worden, die Erwerbsfähigkeit lediglich formelhaft und somit nicht hinreichend substantiiert bestritten zu haben. Hierauf habe das LG hinweisen müssen, was indes nicht geschehen sei, zumal die Beklagte um einen Hinweis gebeten habe, falls das Gericht näheren Vortrag aus den Vorgangsakten für erforderlich halte.

Der unstreitige Teil des Tatbestandes im landgerichtlichen Urteil sei auch insoweit fehlerhaft, als darin von einem an die Beklagte gerichteten Leistungsantrag vom 27.9.2007 und von einem Bescheid der Beklagten vom 9.12.2004 die Rede sei. Die Beklagte sei zu diesen Zeitpunkten noch nicht rechtlich existent gewesen, da sie erst am 22.12.2004 gegründet worden sei und die Arbeit erst im Januar 2005 aufgenommen habe.

Antragsteller des am 21.10.2004 bei der Stadt Salzgitter eingereichten Antrages sei der Lebensgefährte von Frau S, Herr M, gewesen. Frau S selbst sei lediglich als Mitglied der sog. Bedarfsgemeinschaft im Antrag genannt gewesen sei. Aufgrund des vorangegangenen Arbeitslosenhilfebezuges durch Herrn M sei der Antrag von der Stadt Salzgitter zur Prüfung an die Arbeitsagentur Braunschweig weitergeleitet worden. Es habe nicht dem Sozialamt der Stadt Salzgitter oblegen, dass Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II zu prüfen.

Ferner seien Listen, die Aufschluss über den Gesundheitszustand der Versicherten hätten geben können, beim Sozialamt der Stadt Salzgitter nicht geführt worden. Das LG gehe daher zu Unrecht davon aus, dass ein Abgleich der Sozialdaten möglich gewesen wäre. Erstmals im Januar 2005 sei der Aktenbestand der Arbeitsagentur Braunschweig sowie der Stadt Salzgitter bei Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten als ARGE Salzgitter zusammengeführt worden.

Soweit das LG der Beklagten vorhalte, seit dem 27.9.2004 untätig geblieben und die Frage der Erwerbstätigkeit nicht geklärt zu haben, sei ebenfalls darauf zu verweisen, dass die Beklagte erst zu einem späteren Zeitpunkt gegründet worden sei. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten frühestens am 4.4.2005 auf Grund der amtsärztlichen Stellungnahme Rückschlüsse auf eine möglicherweise vorliegende Erwerbsunfähigkeit ziehen können. Unter der Annahme "optimalster verwaltungsrechtlicher Arbeitsbedingungen" hätte die ARGE hierauf erst am 1.5.2005 reagieren können, so dass die bis dahin aufgelaufenen Heilbehandlungskosten "sowieso" von der Klägerin zu tragen gewesen wären.

Die Beklagte rügt auch die Verletzung materiellen Rechts.

Noch in der mündlichen Verhandlung habe das LG zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben sei. Dementsprechend sei in den Entscheidungsgründen auch eine konkrete Anspruchsgrundlage nicht genannt worden. Zutreffend führe das LG hingegen aus, dass keine Amtspflichtverletzung vorliege und auch die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 103 SGB Teil X nicht gegeben seien. Die vom LG gewählte Anspruchsgrundlage "ähnlich § 28r SGB IV", sei gesetzlich nicht verankert. Auf § 86 SGB X lasse sich das Zahlungsbegehren ebenfalls nicht stützen. Vielmehr verhalte es sich so, dass die Klägerin gem. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, 44a SGB II an die Entscheidung der Beklagten gebunden...

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