Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Betreibers eines Altenpflegeheims: Aufsichtspflichtverletzung des Pflegepersonals beim Toilettengang einer betagten Patientin mit Alzheimererkrankung im letzten Stadium

 

Leitsatz (amtlich)

Das Maß der Beaufsichtigung einer Pflegeperson beim Toilettengang durch das Pflegepersonal eines Altenheims hängt von dem konkreten Hilfsbedürfnis ab. Hier: Aufsichtspflichtverletzung bei Pflegeperson mit Alzheimer in letztem Stadium.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.836,12 € zzgl. 4 % hieraus seit 01.03.2001 zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 5.836,12 €.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Verletzung vertraglich übernommener Aufsichtspflicht aus übergegangenem Recht.

Der Beklagte ist eine Pflegeeinrichtung, bei der insbesondere alte, voll pflegebedürftige Menschen aufgenommen und betreut werden. Am 10.12.2000 erlitt die bei der Klägerin krankenversicherte Frau T. im Hause des Beklagten eine distale Femurfraktur, nachdem sie von der bei dem Beklagten angestellten Pflegerin, der Zeugin G., auf die Toilette ihres Zimmers gesetzt worden war, indem sie auf den Boden fiel. Die Geschädigte bewohnte das Zimmer 205 im Altenpflegeheim des Beklagten auf Grund eines Heimpflegevertrages. Sie litt an Alzheimer und war zum Unfallzeitpunkt vollkommen dement. Schon im Jahr 1998 wurde festgestellt, dass sie praktisch alles, was sie im Leben erlernt hatte, vergessen hatte. Sie war in der Pflegestufe 3 eingruppiert und bei allem in die Vollüberwachung eingeordnet. Sie war von der Beweglichkeit her in der Lage, selbst unter Führung zu gehen und hätte körperlich die notwendigen Verrichtungen zur Körperpflege selbst tätigen können. Sie hatte die Eigenart, dass sie sich im Speisesaal immer wieder aus ihrem Rollstuhl heraus am Tisch aufrichtete und umhersah. In den vier Wochen vor dem Unfall fiel die Geschädigte nicht durch überraschende Bewegungen wie ein selbstständiges Aufstehen oder Abrutschen beim Toilettengang auf. Für die Wiederherstellung von Frau T. wandte die Klägerin insgesamt 5.836,12 € auf, wovon 267,83 € streitig sind.

Die Klägerin behauptet, die Pflegerin habe sich, nachdem sie die Geschädigte auf der Toilette abgesetzt hatte, mit dem Gebiss der Geschädigten abgewandt und begonnen, dieses am Waschbecken zu reinigen. Dadurch habe sie ihre Aufsichtspflicht verletzt. Für den Transport der Geschädigten mit dem Rettungswagen am 10.12.2000 seien 267,83 € angefallen.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.836,12 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.03.2001 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt:

Klagabweisung.

Der Beklagte behauptet, die Zeugin G. sei in unmittelbarer Nähe von Frau T. geblieben und habe ihr die Zahnprothese abgenommen, um diese an dem in der Nasszelle unmittelbar neben der Toilette befindliche Waschbecken abzulegen. Dafür habe sich die Zeugin G. kurz zur Seite drehen müssen. In diesem Augenblick habe sich die Geschädigte erhoben und sei dabei gestürzt. Der Beklagte meint, eine Verletzung der Aufsichtspflicht liege nicht vor, weil die Zeugin G. sich nur ganz kurz zur Seite gedreht habe und in den Wochen zuvor keinerlei Anzeichen für ein plötzliches Aufstehen von der Toilette bei der Geschädigten zu beobachten gewesen seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze jeweils mit Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2003 (Blatt 24/25 der Akte) und vom 11.04.2003 (Blatt 29/31 der Akte). Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins und paralleler Vernehmung der Zeugin G.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll vom 11.04.2003.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.836,12 € aus übergegangenem Recht auf Grund der Verletzung der Aufsichtspflicht im Rahmen des Heimpflegevertrages mit der Geschädigten Frau T.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die bei dem Beklagten angestellte Zeugin G. am 10.12.2001 mit leichter Fahrlässigkeit den Sturz der Geschädigten von der Toilette mit der Folge einer distalen Femurfraktur mitverursacht hat. Dies hat eine Haftung des Beklagten zu 100 % zur Folge, weil die Geschädigte selbst mit Alzheimer im letzten Grad keinen zurechenbaren Verursachungsbeitrag geleistet hat.

Im Rahmen des Toilettengangs ist das Maß der Beaufsichtigung immer von dem konkreten Hilfsbedürfnis des Patienten abhängig (vgl. OLG Hamm, Versicherungsrecht 2003, Seite 73 ff).

Hiervon ausgehend ist das Gericht aufgrund der Aussage der Zeugin G. im Rahmen des Augenscheins und des unstreitigen Gesundheitszustandes der Geschädigten mit einer Alzheimerdemenz im letzten Grad im vorliegenden Fall zu der Überzeugung gelangt, das...

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