Verfahrensgang

AG Kassel (Beschluss vom 07.05.2002; Aktenzeichen 661 IN 23/02)

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 07.05.2002 abgeändert.

Dem Insolvenzverwalter wird ein Vorschuss in Höhe von 8.500,00 Euro zur Sicherung anfallender Steuerberaterkosten aus der Staatskasse festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Mit Schreiben vom 22.01.2002 beantragte die Schuldnerin, das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen. Zugleich bat sie um Stundung der Verfahrenskosten. Das Amtsgericht holte sodann ein Gutachten des späteren Insolvenzverwalters vom 25.02.2002 ein, welches zum Ergebnis kam, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden sei. Daraufhin eröffnete das Amtsgericht Kassel mit Beschluss vom 07.03.2002 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und bestellte den eingangs genannten Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter. Einhergehend damit stundete es mit weiterem Beschluss vom selben Tag die Kosten des Insolvenzverfahrens (und zwar für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung.

Das Finanzamt … bat den Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 08.04.2002 (Bl. 84 f d.A.), für Zeiträume bis zur Verfahrenseröffnung die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen der Schuldnerin jeweils für die Jahre 2000, 2001 sowie 2002 bis zum 10.05.2002 abzugeben. Für den Fall der Fristversäumung kündigte das Finanzamt an, die anzumeldenden Forderungen im Schätzungsweg zu ermitteln. Daraufhin ließ der Insolvenzverwalter von dem bisherigen Steuerberater der Schuldnerin das voraussichtliche Honorar für die Erstellung der angeforderten Steuererklärungen ermitteln (vgl. dessen Mitteilung vom 18.04.2002, Bl. 86 d.A.) und beantragte unter dem 22.04.2002 (Bl. 82 f d.A.), ihm aufgrund der gewährten Kostenstundung einen entsprechenden Vorschuss zur Verfügung zu stellen. Dieses Ansinnen wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 07.05.2002 (Bl. 87 f. d.A.) mit der Begründung zurück, die anfallenden Steuerberaterkosten seien sonstige Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die zwar aller Voraussicht nach nicht durch die Masse gedeckt werden könnten, aber von der Stundungsentscheidung des Gerichts nicht erfasst seien.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Insolvenzverwalters vom 14.05.2002 (Bl. 118–120 d.A.), die er damit begründete, dass es nicht sein könne, dass er einerseits als Insolvenzverwalter unter möglicher Androhung von Zwangsmitteln verpflichtet sei, die fraglichen Steuererklärungen abzugeben, andererseits für die mit der Erstellung der Steuererklärungen verbundenen Kosten mit seinem Privatvermögen einstehen solle.

Der Rechtspfleger hat der als sofortigen Beschwerde anzusehenden Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Die Bezirksrevisorin vertritt in ihrer Stellungnahme vom 08.08.2002 (Bl. 136–139 d.A.) die Auffassung, dass die anfallende Vergütung des Steuerberaters nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO gehöre, sondern eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei. Im Übrigen könne der Insolvenzverwalter zwar der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf die Vergütung und die Auslagen nach § 9 InsVV entnehmen, eine entsprechende Vorschrift bei Eintrittspflicht der Staatskasse bestehe aber, anders als für den im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt nach § 127 BRAGO bzw. den Betreuer nach §§ 1835 Abs. 4, 1836 Abs. 2 S. 3, 1836 a BGB i.V.m. § 56 g Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 FGG, nicht.

 

Entscheidungsgründe

II. Die gemäß §§ 6, 64 Abs. 3 InsO statthafte sowie nach Maßgabe des § 4 InsO in Verbindung mit § 569 Abs. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige sofortige Beschwerde muss sachlich Erfolg haben.

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001, BGBl. 2001 Teil I S. 2710 ff., in Kraft getreten am 01.12.2001, durch das Rechtsinstitut der Stundung (der Kosten des Insolvenzverfahrens) die Möglichkeit geschaffen, auch massearme Insolvenzverfahren zu eröffnen, um den Schuldnern die Restschuldbefreiung zu ermöglich. Die in § 4 a InsO geregelte Stundung umfasst die Kosten des Insolvenzverfahrens. Damit wird auf § 54 InsO verwiesen. Zu den dort genannten Kosten des Insolvenzverfahrens gehören neben den Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren (Ziffer 1) auch die Vergütung und Auslagen u.a. des Insolvenzverwalters (Nr. 2). Da die in § 54 Nr. 2 InsO genannten Personen selbstständige Ansprüche haben, die der Stundung nicht unterliegen, haben sie einen Sekundäranspruch gegen die Staatskasse (§ 63 Abs. 2 InsO).

Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens, insbesondere bei Unternehmensfortführungen, kann den Einsatz sachkundiger Mitarbeiter und Hilfskräfte des Insolvenzverwalters erfordern. Er hat in einem solchen Fall nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV das Recht, zur Erledigung besonderer Aufgaben im Rahmen der Verwaltung für die Mass...

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