Entscheidungsstichwort (Thema)

Erdgasbinnenmarkt. Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. Allgemeine Voraussetzungen. Missbräuchliche Klauseln. Einseitige Änderung des Preises der Leistung durch den Gewerbetreibenden. Verweis auf eine bindende Regelung, die auf eine andere Kategorie von Verbrauchern abstellt. Anwendbarkeit der Richtlinie 93/13. Pflicht zur klaren und verständlichen Abfassung und zur Transparenz

 

Normenkette

Richtlinie 2003/55/EG; Richtlinie 93/13/EWG Art. 1 Abs. 2, Art. 3-5

 

Beteiligte

RWE Vertrieb AG

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V

RWE Vertrieb AG

 

Tenor

1. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass diese Richtlinie für Klauseln allgemeiner Bedingungen in zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geschlossenen Verträgen gilt, die eine für eine andere Vertragskategorie geltende Regel des nationalen Rechts aufgreifen und der fraglichen nationalen Regelung nicht unterliegen.

2. Die Art. 3 und 5 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind dahin auszulegen, dass es für die Beurteilung, ob eine Standardvertragsklausel, mit der sich ein Versorgungsunternehmen das Recht vorbehält, die Entgelte für die Lieferung von Gas zu ändern, den in diesen Bestimmungen aufgestellten Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt, insbesondere darauf ankommt,

  • ob der Anlass und der Modus der Änderung dieser Entgelte in dem Vertrag so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann, wobei das Ausbleiben der betreffenden Information vor Vertragsabschluss grundsätzlich nicht allein dadurch ausgeglichen werden kann, dass der Verbraucher während der Durchführung des Vertrags mit angemessener Frist im Voraus über die Änderung der Entgelte und über sein Recht, den Vertrag zu kündigen, wenn er diese Änderung nicht hinnehmen will, unterrichtet wird, und
  • ob von der dem Verbraucher eingeräumten Kündigungsmöglichkeit unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung anhand aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, einschließlich aller Klauseln in den allgemeinen Bedingungen der Verbraucherverträge, die die streitige Klausel enthalten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Februar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2011, in dem Verfahren

RWE Vertrieb AG

gegen

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der RWE Vertrieb AG, vertreten durch Rechtsanwälte P. Rosin, J. Schütze und A. von Graevenitz,
  • der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., vertreten durch Rechtsanwalt P. Wassermann,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. September 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2, Art. 3 und Art. 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29) sowie von Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Abs. 2 des Anhangs dieser Richtlinie einerseits und von Art. 3 Abs. 3 und Anhang A Buchst. b und c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. L 176, S. 57) andererseits.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RWE Vertrieb AG (im Folgenden: RWE) und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. wegen der Verwendung angeblich missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen durch RWE.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 93/13

Rz. 3

Der 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 lautet:

„Bei Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen direkt oder indirekt die Klauseln für Verbraucherverträge festgelegt werden, wird davon ausgegangen, dass sie keine missbräuchlichen Klauseln ...

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