Entscheidungsstichwort (Thema)

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung. Inhaftierung in einer gewöhnlichen Haftanstalt. Möglichkeit, einen Drittstaatsangehörigen mit seiner Zustimmung gemeinsam mit gewöhnlichen Strafgefangenen unterzubringen

 

Normenkette

Richtlinie 2008/115/EG Art. 16 Abs. 1

 

Beteiligte

Pham

Thi Ly Pham

Stadt Schweinfurt, Amt für Meldewesen und Statistik

 

Tenor

Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat auch dann nicht erlaubt, einen Drittstaatsangehörigen für die Zwecke der Abschiebung in einer gewöhnlichen Haftanstalt gemeinsam mit gewöhnlichen Strafgefangenen unterzubringen, wenn der Drittstaatsangehörige in diese Unterbringung einwilligt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 3. September 2013, in dem Verfahren

Thi Ly Pham

gegen

Stadt Schweinfurt, Amt für Meldewesen und Statistik

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz, A. Borg Barthet und M. Safjan sowie der Richter A. Rosas, G. Arestis (Berichterstatter), J. Malenovský, D. Šváby, C. Vajda und S. Rodin,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Pham, vertreten durch Rechtsanwalt M. Sack,
  • der Stadt Schweinfurt, Amt für Meldewesen und Statistik, vertreten durch J. von Lackum als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. de Ree, M. Bulterman und H. Stergiou als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Wils und M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Pham und der Stadt Schweinfurt, Amt für Meldewesen und Statistik, über die Rechtmäßigkeit der gegen sie angeordneten Abschiebungshaft.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115 lautet:

„In Haft genommene Drittstaatsangehörige sollten eine menschenwürdige Behandlung unter Beachtung ihrer Grundrechte und im Einklang mit dem Völkerrecht und dem innerstaatlichen Recht erfahren. Unbeschadet des ursprünglichen Aufgriffs durch Strafverfolgungsbehörden, für den einzelstaatliche Rechtsvorschriften gelten, sollte die Inhaftierung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgen.”

Rz. 4

Art. 1 („Gegenstand”) der Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie enthält gemeinsame Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Einklang mit den Grundrechten als allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschafts- und des Völkerrechts, einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind.”

Rz. 5

Art. 15 („Inhaftnahme”) der Richtlinie bestimmt:

„(1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn

  1. Fluchtgefahr besteht oder
  2. die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern.

Die Haftdauer hat so kurz wie möglich zu sein und sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen [zu] erstrecken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden.

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 g...

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