Entscheidungsstichwort (Thema)

Genetisch veränderte Organismen. Saatgut. Verbot des Inverkehrbringens. Verbot der Aufnahme in den nationalen Sortenkatalog. Richtlinien 2001/18/EG und 2002/53/EG. Berufung auf ethische und religiöse Gründe. Beweislast

 

Beteiligte

Kommission / Polen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Republik Polen

 

Tenor

1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 22 und 23 der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates sowie aus den Art. 4 Abs. 4 und 16 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten verstoßen, dass sie den freien Verkehr mit Saatgut genetisch veränderter Sorten und die Aufnahme genetisch veränderter Sorten in den nationalen Sortenkatalog verbietet.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Republik Polen trägt ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten der Kommission.

4. Die Kommission trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. April 2008,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Doherty und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Polen, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), P. Kūris und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106, S. 1) insgesamt und insbesondere ihren Art. 22 und 23 sowie aus der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (ABl. L 193, S. 1), insbesondere ihren Art. 4 Abs. 4 und Art. 16, verstoßen hat, dass sie den freien Verkehr mit Saatgut genetisch veränderter Sorten und die Aufnahme genetisch veränderter Sorten in den nationalen Sortenkatalog verbietet.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Die Richtlinie 2001/18

Rz. 2

Die Richtlinie 2001/18 wurde auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen. Ziel dieser Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 entsprechend dem Vorsorgeprinzip die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zum einen bei der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (im Folgenden: GVO) in die Umwelt zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen in der Europäischen Gemeinschaft und zum anderen beim Inverkehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten in der Gemeinschaft.

Rz. 3

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 wird erläutert:

„Es ist besonders wichtig, dass die in einem Mitgliedstaat anerkannten ethischen Grundsätze beachtet werden. Die Mitgliedstaaten können ethische Aspekte berücksichtigen, wenn GVO absichtlich freigesetzt oder als Produkte oder in Produkten in den Verkehr gebracht werden.”

Rz. 4

Die Erwägungsgründe 56 bis 58 dieser Richtlinie lauten:

„(56) Wird ein Produkt, das GVO als Produkte oder in Produkten enthält, in den Verkehr gebracht, und ist dieses Produkt nach dieser Richtlinie ordnungsgemäß zugelassen worden, so darf ein Mitgliedstaat die absichtliche Freisetzung von GVO als Produkte oder in Produkten, die den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten, einschränken oder behindern. Für den Fall einer Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt sollte ein Sicherheitsverfahren vorgesehen werden.

(57) Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien der Kommission sollte gehört werden, um Ratschläge zu ethischen Fragen allgemeiner Art betreffend die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO einzuholen. Diese Konsultationen sollten die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ethische Fragen unberührt lassen.

(58) Die Mitgliedstaaten sollten jeden Ausschuss hören können, den sie zu ihrer Beratung über die ethischen Implikationen der Biotechnologie eingesetzt haben.”

Rz. 5

Teil B der Richtlinie 2001/18 regelt die Voraussetzungen, unter denen Zustimmungen zur absichtlichen Freisetzung von GVO zu anderen Zwecken als dem Inverkehrb...

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