Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Haftung im Fall von Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers. Pflichtversicherung. Unmittelbare Wirkung. Stelle, die für den Ersatz von Sach- oder Personenschäden zuständig ist, die durch ein nicht ermitteltes oder nicht versichertes Fahrzeug verursacht werden. Möglichkeit, sich gegenüber einem Staat auf eine Richtlinie zu berufen. Voraussetzungen, unter denen eine privatrechtliche Stelle als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung angesehen werden kann und ihr die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können

 

Normenkette

Richtlinie 90/232/EWG Art. 1; Richtlinie 84/5/EWG Art. 1 Abs. 4

 

Beteiligte

Farrell

Elaine Farrell

Attorney General

Ireland

Alan Whitty

Minister for the Environment

Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI)

 

Tenor

1. Art. 288 AEUV ist dahin auszulegen, dass er als solcher nicht ausschließt, dass einer Einrichtung, die nicht alle in den Rn. 18 und 20 des Urteils vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C-188/89, EU:C:1990:313), genannten Eigenschaften aufweist, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

2. Einer privatrechtlichen Stelle, die ein Mitgliedstaat mit einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut hat - wie der Aufgabe, die sich aus der Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der Fassung der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 ergibt – und die hierzu kraft Gesetzes mit besonderen Rechten ausgestattet ist – wie der Befugnis, die Versicherer, die im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats Kfz-Versicherungen anbieten, zu verpflichten, bei dieser Stelle Mitglied zu werden und sie zu finanzieren –, können die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 12. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2015, in dem Verfahren

Elaine Farrell

gegen

Alan Whitty,

Minister for the Environment,

Ireland,

Attorney General,

Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet (Berichterstatter) und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger, A. Prechal und K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und M. Vilaras,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: T. Millett, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Minister for the Environment, von Ireland und des Attorney General, vertreten durch E. Creedon und S. Purcell als Bevollmächtigte im Beistand von J. Connolly, SC, und C. Toland, BL,
  • des Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI), vertreten durch J. Walsh, Solicitor, B. Murray, Barrister, L. Reidy, SC, und B. Kennedy, SC,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und C. David als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer und K.-Ph. Wojcik als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Juni 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob einer privatrechtlichen Stelle, die ein Mitgliedstaat mit der Aufgabe nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17) in der Fassung der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 (ABl. 1990, L 129, S. 33) (im Folgenden: Zweite Richtlinie) betraut hat, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Richtlinie entgegengehalten werden können.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich Frau Elaine Farrell auf der einen und Herr Alan Whitty, der Minister for the Environment (Umweltminister, Irland), Ireland (Irland), der Attorney General sowie das Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI) auf der anderen Seite wegen des Ersatzes der Personenschäden, die Frau Farrell bei einem Verkehrsunfall erlitten hatte, im ersten Rechtszug gegenüberstanden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 19...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge