Entscheidungsstichwort (Thema)

Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Insolvenzverfahren. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000. Art. 5 Abs. 1. Zeitlicher Geltungsbereich. Dingliche Klage in einem nicht der Europäischen Union angehörenden Staat. Insolvenzverfahren, das in einem anderen Mitgliedstaat gegen den Schuldner eröffnet wurde. Beitritt des ersten Staats zur Europäischen Union. Anwendbarkeit

 

Beteiligte

ERSTE Bank Hungary

ERSTE Bank Hungary Nyrt

Magyar Állam

BCL Trading GmbH

ERSTE Befektetési Zrt

 

Tenor

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auch auf Insolvenzverfahren Anwendung findet, die vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union eröffnet wurden, wenn sich die dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenstände, an denen das betreffende dingliche Recht bestand, am 1. Mai 2004 in Ungarn befanden, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Legfelsobb Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 26. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2010, in dem Verfahren

ERSTE Bank Hungary Nyrt

gegen

Magyar Állam,

BCL Trading GmbH,

ERSTE Befektetési Zrt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter M. Ilešič, E. Levits und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ERSTE Bank Hungary Nyrt, vertreten durch T. Éless und L. Molnár, ügyvédek,
  • von Bárándy és Társai Ügyvédi Iroda, vertreten durch D. Bojkó, ügyvéd,
  • der Komerční Banka, as, vertreten durch P. Lakatos, I. Sólyom, A. Ungár, P. Köves und B. Fazakas, ügyvédek,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, K. Szíjártó und K. Veres als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1, im Folgenden: Verordnung).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über die BCL Trading GmbH (im Folgenden: BCL Trading), eine Gesellschaft österreichischen Rechts.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte) lautet:

„Ab dem Tag des Beitritts sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.”

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 6, 11 und 23 bis 25 der Verordnung heißt es:

„(6) Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher Entscheidungen und hinsichtlich des anwendbaren Rechts, die ebenfalls diesem Grundsatz genügen, enthalten.

(11) Diese Verordnung geht von der Tatsache aus, dass aufgrund der großen Unterschiede im materiellen Recht ein einziges Insolvenzverfahren mit universaler Geltung für die gesamte Gemeinschaft nicht realisierbar ist. Die ausnahmslose Anwendung des Rechts des Staates der Verfahrenseröffnung würde vor diesem Hintergrund häufig zu Schwierigkeiten führen. Dies gilt etwa für die in der Gemeinschaft sehr unterschiedlich ausgeprägten Sicherungsrechte. … Diese Verordnung sollte dem auf zweierlei Weise Rechnung tragen: Zum einen sollten Sonderanknüpfungen für besonders bedeutsame Rechte und Rechtsverhältnisse vorgesehen werden (z. B. dingliche Rechte und Arbeitsverträge). Zum anderen sollten neben einem Hauptinsolvenzverfahren mit universaler Geltung auch innerstaatliche Verfahren zugelassen werden, die lediglich das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen erfassen.

(23) Diese Verordnung sollte für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren, die die Vorschriften des inte...

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