Leitsatz (amtlich)

Zur Pflicht des Krankenhauses, den Patienten vor Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung über die Entgelte und den Inhalt der wahlärztlichen Leistungen zu unterrichten (Fortführung der BGH, Urt. v. 27.11.2003 - III ZR 37/03, MDR 2004, 435 = BGHReport 2004, 205 = GesR 2004, 55 = NJW 2004, 684; v. 8.1.2004 - III ZR 375/02, GesR 2004, 139 = MDR 2004, 433 = BGHReport 2004, 493 = NJW 2004, 686).

 

Normenkette

BPflV § 22 Abs. 2 S. 1 Hs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.10.2003; Aktenzeichen 6 S 19/03)

AG Berlin-Neukölln

 

Tenor

Die Revision der Streithelferin des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 6 des LG Berlin (Charlottenburg) v. 30.10.2003 wird zurückgewiesen.

Die Streithelferin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Chefarzt der Hals-, Nasen- und Ohren-Abteilung einer Klinik in Berlin, deren Träger die Streithelferin ist. Der Beklagte befand sich dort wegen einer Trommelfellperforation v. 18.7.bis zum 2.8.2002 in stationärer Behandlung und wurde vom Kläger zweimal operiert. In der vom Beklagten und vom aufnehmenden Krankenhausmitarbeiter unterzeichneten schriftlichen Wahlleistungsvereinbarung v. 18.7.2002 ist außer dem Kästchen "Unterbringung in einem 1-Bett-Zimmer" das weitere Kästchen "Gesondert berechenbare ärztliche Leistungen (Wahlarztleistungen)" angekreuzt. Im weiteren Text des Schriftstücks heißt es, soweit hier von Interesse, wie folgt:

"Die Wahlleistungen werden gesondert berechnet.

Die Vereinbarung über gesondert berechenbare Leistungen (Wahlarztleistungen) erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.

Die gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen werden von den in der Anlage zum Pflegekostentarif aufgeführten liquidationsberechtigten Ärzten persönlich oder unter der Aufsicht des leitenden Arztes nach fachlicher Leistung von einem nachgeordneten Arzt in der Abteilung erbracht; im Verhinderungsfalle übernimmt die Aufgaben des leitenden Arztes sein ständiger Vertreter.

Die Berechnung der wahlärztlichen Leistungen erfolgt nach der Gebührenordnung für Ärzte/Zahnärzte (GOÄ/GOZ) in der jeweils gültigen Fassung. Die liquidationsberechtigten Ärzte können zum Zwecke der Rechnungserstellung und -bearbeitung eine privatärztliche Verrechnungsstelle beauftragen oder die Abrechnung dem Krankenhaus überlassen.

Erhöht oder vermindert sich während des Behandlungszeitraums der Pflegekostentarif und hat dies Auswirkungen auf die vereinbarten Wahlleistungsentgelte, so gelten die sich daraus ergebenden Entgelte von dem Zeitpunkt an als vereinbart, in dem sie in Kraft treten (§ 21 BPflV) ..."

Die auf Zahlung von 1.369,33 EUR gerichtete Honorarklage des Klägers ist von den Vorinstanzen mit der Begründung abgewiesen worden, die Wahlleistungsvereinbarung sei nicht formwirksam zu Stande gekommen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Krankenhausträgers, dem der Kläger den Streit verkündet hat und der ihm beigetreten ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 der - vorliegend anwendbaren - Bundespflegesatzverordnung (BPflV) v. 26.9.1994 (BGBl. I, 2750) sind Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Nach der Rechtsprechung des Senats, von der abzugehen kein Anlass besteht, ist eine Wahlleistungsvereinbarung, die ohne hinreichende vorherige Unterrichtung des Patienten abgeschlossen worden ist, unwirksam (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 27.11.2003 - III ZR 37/03, MDR 2004, 435 = BGHReport 2004, 205 = GesR 2004, 55 = NJW 2004, 684; v. 8.1.2004 - III ZR 375/02, GesR 2004, 139 = MDR 2004, 433 = BGHReport 2004, 493 = NJW 2004, 686, jeweils m.w.N.). Beide Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass diese Wirksamkeitsvoraussetzung der Klageforderung vorliegend nicht erfüllt ist.

2. Der Senat hat inzwischen - nach Erlass des hier in Rede stehenden Berufungsurteils - die Anforderungen präzisiert, die an eine ausreichende Unterrichtung zu stellen sind (BGH, Urt. v. 27.11.2003 - III ZR 37/03, MDR 2004, 435 = BGHReport 2004, 205 = GesR 2004, 55 = NJW 2004, 684; v. 8.1.2004 - III ZR 375/02, GesR 2004, 139 = MDR 2004, 433 = BGHReport 2004, 493 = NJW 2004, 686; s. dazu auch die Besprechung von Kern, LMK 2004, 59). Danach reicht es einerseits nicht aus, wenn der Patient lediglich darauf hingewiesen wird, dass die Abrechnung des selbstliquidierenden Chefarztes nach der Gebührenordnung für Ärzte erfolge; andererseits ist es nicht erforderlich, dass dem Patienten unter Hinweis auf die mutmaßlich in Ansatz zu bringenden Nummern des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte detailliert und auf den Einzelfall abgestellt die Höhe der voraussichtlich entstehenden Arztkosten - in Form eines im Wesentlichen zutreffenden Kostenanschlages - mitgeteilt wird. Der Senat hat vielmehr Kriterien aufgestellt, an denen sich die Unterrichtung des Patienten zu orientieren hat. Ausreichend ist danach in jedem Fall:

- eine kurze Charakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen, wobei zum Ausdruck kommt, dass hierdurch ohne Rücksicht auf Art und Schwere der Erkrankung die persönliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass der Patient auch ohne Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält;

- eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte bzw. für Zahnärzte (Leistungsbeschreibung anhand der Nummern des Gebührenverzeichnisses; Bedeutung von Punktzahl und Punktwert; Möglichkeit, den Gebührensatz je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand zu erhöhen); Hinweis auf Gebührenminderung nach § 6a der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ);

- ein Hinweis darauf, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann;

- ein Hinweis darauf, dass sich bei der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen die Vereinbarung zwingend auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt (vgl. § 22 Abs. 3 S. 1 BPflV);

- und ein Hinweis darauf, dass die Gebührenordnung für Ärzte/Gebührenordnung für Zahnärzte auf Wunsch eingesehen werden kann; die ungefragte Vorlage dieser Gesetzestexte erscheint demgegenüber entbehrlich, da diesen für sich genommen kein besonderer Informationswert zukommt. Der durchschnittliche Wahlleistungspatient ist auch nicht annähernd in der Lage, sich selbst anhand des Studiums dieser umfänglichen komplizierten Regelungswerke einen Überblick über die Höhe der auf ihn zukommenden Arztkosten zu verschaffen.

3. Die Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall ergibt, dass hier eine ausreichende Unterrichtung des Beklagten nicht festgestellt werden kann.

a) Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass die Unterrichtung auch mündlich erfolgen konnte. Der Senat hat es im Urt. v. 27.11.2003 (BGH, Urt. v. 27.11.2003 - III ZR 37/03, MDR 2004, 435 = BGHReport 2004, 205 = GesR 2004, 55 = NJW 2004, 684 [685]) zwar für zweckmäßig erachtet, die Unterrichtung schriftlich niederzulegen; zwingendes Wirksamkeitserfordernis ist dies indessen nicht (zur Zulässigkeit mündlicher Unterrichtung vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1989 - IX ZR 289/87, MDR 1990, 430 = NJW 1990, 761 [766]; Urt. v. 19.12.1995 - III ZR 233/94, NJW 1996, 781 [782]).

b) Zum Inhalt der dem Beklagten erteilten Unterrichtung hatten der Kläger und seine Streithelferin in den Vorinstanzen vorgetragen, es sei allgemein und so auch im Streitfall auf die Möglichkeit verwiesen worden, die GOÄ einzusehen und sich erläutern zu lassen. Weiter würden die Grundstrukturen der GOÄ erläutert und seien auch erläutert worden. Vor Abschluss der Vereinbarung werde auf die Auslage der GOÄ im jeweiligen Chefarzt-Sekretariat hingewiesen; fachkundige Aufklärungen über Leistungen und Kosten erfolgten auf Nachfrage, worauf der Patient zuvor hingewiesen werde.

c) Eine Unterrichtung dieses Inhalts ist schon deshalb unzulänglich, weil sie die Beschaffung der notwendigen Informationen letztlich der Eigeninitiative des Patienten überlässt, indem diesem lediglich das Angebot unterbreitet wird, ihn "auf Nachfrage" fachkundig über Leistungen und Kosten aufzuklären. Damit können sich weder der Kläger als selbstliquidierender Chefarzt noch die Streithelferin als Krankenhausträgerin (und somit als die Vertragspartnerin der Vereinbarung über die gesonderte Berechnung; § 22 Abs. 1 S. 1 BPflV) ihrer Eigenverantwortung dafür entziehen, den Patienten vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Bei der Erläuterung der "Grundstrukturen der GOÄ" bleibt - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - im Dunkeln, was die die Aufklärung erteilende Person unter diesen "Grundstrukturen" verstanden hat.

d) Auch die Verfahrensrüge der Revision geht fehl, der Kläger und seine Streithelferin hätten auf entsprechenden richterlichen Hinweis in den Vorinstanzen ergänzend zum Inhalt der Unterrichtung vorgetragen. Eines solchen Hinweises bedurfte es im Berufungsrechtszug schon deshalb nicht, weil spätestens durch das erstinstanzliche Urteil des AG klargestellt worden war, dass die Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung für den vorliegenden Rechtsstreit von zentraler Bedeutung war; daraus ergab sich die Notwendigkeit vollständigen und präzisen Sachvortrags zum Inhalt der dem Beklagten tatsächlich zuteil gewordenen Aufklärung von selbst. Zum anderen geht auch aus der Revisionsbegründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, welche Informationen dem Beklagten tatsächlich erteilt worden sind, so dass Feststellungen darüber, ob den oben wiedergegebenen Anforderungen der Senatsrechtsprechung Genüge getan ist, auch auf dieser Grundlage nicht getroffen werden können.

4. Da zwischen dem Streithelfer und dem Beklagten keine wirksame Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen zu Stande gekommen ist, steht dem Kläger kein Vergütungsanspruch aus § 612 Abs. 2 BGB für die im Zusammenhang mit der stationären Behandlung des Beklagten erbrachten ärztlichen Leistungen zu; auch ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB besteht nicht (BGH, Urt. v. 27.11.2003 - III ZR 37/03, MDR 2004, 435 = BGHReport 2004, 205 = GesR 2004, 55 = NJW 2004, 684 [686]; v. 19.2.1998 - III ZR 169/97, BGHZ 138, 91 [99] = MDR 1998, 582).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1205643

BGHR 2004, 1465

NJW-RR 2004, 1428

ArztR 2005, 127

MDR 2004, 1229

VersR 2005, 120

GesR 2004, 427

FSt 2005, 193

JWO-VerbrR 2004, 269

ZMGR 2004, 200

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