Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer zeitlich nachrangigen Sicherungszession bei Insolvenz des Sicherungsgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch ein übersicherter Sicherungsnehmer ist nicht daran gehindert nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers den Insolvenzverwalter zu ermächtigen, die abgetretenen Forderungen in vollem Umfang einzuziehen. Zwar ist ein Sicherungsnehmer auf Grund des Sicherungsvertrags zur Freigabe von Sicherheiten verpflichtet, wenn er nachhaltig übersichert ist, allerdings würden nach Insolvenzeröffnung freigegebene abgetretene Forderungen in die Masse fallen. Eine zeitlich nachrangige Sicherungszession zu Gunsten eines Dritten kann dann nicht mehr wirksam werden, weil dem § 91 InsO entgegensteht.

 

Normenkette

InsO § 91

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 07.01.2003)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Nürnberg v. 7.1.2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 327.464,23 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die C. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) befasste sich mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Modems. Die Beklagte war Hauptlieferantin der Schuldnerin. Diese nahm Kredite der C. AG (nachfolgend: Bank) in Anspruch. Am 9.4.1994 trat die Schuldnerin sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen sämtliche Kunden sicherungshalber an die Bank ab. Am 30.3.1999 trat die Schuldnerin ihre Forderungen aus Lieferungen an die S. AG, einen ihrer Kunden, an die Beklagte ab. Diese vereinnahmte in der Zeit v. 5.3.bis 7.7.1999 Zahlungen der S. AG. Durch Beschl. v. 1.9.1999 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Kläger nimmt als Prozess-Standschafter der Bank die Beklagte i. H. v. 327.464,23 Euro auf Auskehr der von der S. AG erhaltenen Zahlungen in Anspruch. In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 544 ZPO); sie hat indessen keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

1. Dass sich das gesetzliche Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 166 Abs. 2 InsO nicht - wie das Berufungsgericht fälschlich angenommen hat - auf den Bereicherungsanspruch (§ 816 Abs. 2 BGB) des vorrangigen Sicherungszessionars gegen den nachrangigen Sicherungszessionar, an den der Drittschuldner mit befreiender Wirkung gezahlt hat, erstreckt, ist durch die Entscheidung des BGH v. 15.5.2003 (BGH v. 15.5.2003 - IX ZR 218/02, BGHReport 2003, 1042 = MDR 2003, 1259 = ZIP 2003, 1256 [1257]) geklärt.

2. Soweit das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis des Klägers als gewillkürter Prozess-Standschafter bejaht hat, ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht erkennbar.

Die von der Beschwerde formulierte Frage, ob die von einer Bank als Sicherungsnehmerin dem Verwalter in der Insolvenz der Sicherungsgeberin erteilte Ermächtigung zur Forderungseinziehung auch dann "in vollem Umfang der abgetretenen Forderung vorliegt", wenn die Bank bereits übersichert ist, stellt sich nicht.

Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bank in dem Zeitpunkt, als sie die Einziehungsermächtigung erteilte, bereits übersichert war. Die Ermächtigung wurde von der Bank mit Schreiben v. 15.11.2000 erteilt. Die Übersicherung hat die Bank aber lediglich für einen späteren Zeitpunkt (20.11.2002) eingeräumt. Eine frühere Übersicherung ist nicht dargetan.

Zum anderen würde selbst eine früher eingetretene Übersicherung die Bank als Sicherungsnehmerin nicht daran hindern, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Sicherungsgeberin den Insolvenzverwalter zu ermächtigen, die abgetretenen Forderungen in vollem Umfang einzuziehen. Zwar ist der Beschwerde darin Recht zu geben, dass ein Sicherungsnehmer auf Grund des Sicherungsvertrages zur Freigabe von Sicherheiten verpflichtet ist, wenn er nachhaltig übersichert ist. Ggf. darf der Sicherungsnehmer ihm abgetretene Forderungen nur in dem Umfang einziehen, der zur Tilgung seiner Forderungen erforderlich ist. Er darf dann auch einem Dritten keine weiter gehende Einziehungsermächtigung erteilen. Indes wären, falls die Bank ihr abgetretene Forderungen nach Insolvenzeröffnung freigegeben hätte, diese in die Masse gefallen. Insofern konnte die zeitlich nachrangige Sicherungszession zu Gunsten der Beklagten nicht mehr wirksam werden, weil dem § 91 InsO entgegenstand. Der durch Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB) eintretende Erwerb ist nicht insolvenzfest (Bülow, WM 1998, 845 [848]; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 91 Rz. 30; Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 90 Rz. 322; vgl. auch RGZ 135, 378 [383]). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Bank noch nicht einmal Forderungen freigegeben hat. Dann kann die Lage für den Beklagten keine Bessere sein, selbst wenn die Bank zur Freigabe verpflichtet sein sollte.

Da die Beschwerde selbst von einer derartigen Verpflichtung ausgeht, ist es ausgeschlossen, dass der Kläger - wie die Beschwerde meint - den Rechtsstreit im alleinigen wirtschaftlichen Interesse der Bank als Sicherungsnehmerin führt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1058769

NJW-RR 2004, 259

NZI 2004, 29

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