Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Informationszugang zur Vorbereitung der Insolvenzanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Insolvenzverwalter besitzt einen Anspruch auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Informationen von der Behörde (hier: einem Träger der Sozialversicherung) verlangt werden, um eine Insolvenzanfechtung vorzubereiten.

 

Nachgehend

VG Hamburg (Urteil vom 27.08.2010; Aktenzeichen 7 K 429/09)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17. August 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2007 verpflichtet, unter Vorlage von geeigneten Nachweisen, insbesondere Kontoauszügen schriftlich Auskunft darüber zu erteilen,

  1. ob und in welcher Höhe sie unter den Betriebsnummern … oder unter einer anderen Betriebsnummer Zahlungen der … beziehungsweise der … beziehungsweise der … zwischen dem 29. Januar 2002 und dem 1. Dezember 2002 erhielt;
  2. welche Vollstreckungsmaßnahmen sie gegen die … beziehungsweise gegen die … beziehungsweise gegen die … im Hinblick auf solche Zahlungen ergriff;
  3. wann sie von der Zahlungsunfähigkeit der … beziehungsweise dem Insolvenzantrag der … Hessen vom 25. April 2002 erfuhr.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Auskunft zu Zahlungen und Vollstreckungsmaßnahmen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 1. Dezember 2002 (Az.: 70 IN 157/02) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der … mit Sitz Gelnhausen (weiterer Name: … im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Zwischen der Insolvenzschuldnerin und zwei weiteren Gesellschaften – der … und der … – bestand faktisch ein Firmenverbund (im Folgenden: Firmenverbund). Die … übernahm im Innenverhältnis Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin und zahlte auf diese Verbindlichkeiten. Die … ging personell in der Insolvenzschuldnerin auf. Seit Anfang 2002 führte die Insolvenzschuldnerin die Geschäfte der … fort.

Im November 2004 erhob der Kläger gegen die Beklagte Klage vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (Az.: 30 C 3017/04-47). Der Rechtsstreit wurde nach Verweisung vor dem Amtsgericht Hamburg-Barmbek fortgeführt (Az.: 819 C 1/05). Das Amtsgericht möge die Beklagte verpflichten, geeignete Nachweise vorzulegen über Zahlungen der Insolvenzschuldnerin oder des Firmenverbunds an die Beklagte, über Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten gegen den Firmenverbund und über die Kenntnis der Beklagten von dem Insolvenzantrag. Durch Urteil vom 24. Juni 2005 wies das Amtsgericht Hamburg-Barmbek die Klage zurück: Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB bestehe nicht. Die Berufung des Klägers wies das Landgericht Hamburg durch Beschluss vom 23. März 2005 zurück (Az.: 303 S 21/05). Der Kläger besitze kein Auskunftsrecht nach §§ 242, 810 BGB. Soweit der Kläger Rechte nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) geltend mache, sei der darauf gestützte Anspruch – ohne Rechtskraft für künftige (Gerichts-)Verfahren zu entfalten – bereits als unzulässig zurückzuweisen, da er bislang noch nicht das erforderliche Verwaltungsverfahren durchgeführt habe. Am 13. Dezember 2005 erhob der Kläger gegen die Beklagte Zahlungsklage (Az.: 815 C 319/05).

Am 17. Juli 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten nach § 1 Abs. 1 IFG geeignete Nachweise vorzulegen zu Zahlungen der Insolvenzschuldnerin oder des Firmenverbunds an die Beklagte, zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Insolvenzschuldnerin oder gegen den Firmenverbund sowie zur Kenntnis der Beklagten von dem Insolvenzantrag: Die Beklagte sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach dem Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet, diese Informationen zugänglich zu machen.

Durch Bescheid vom 17. August 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab: Das Informationsfreiheitsgesetz sei nicht anwendbar. Das Gesetz solle die Beteiligungsrechte der Bürger stärken. Hier verlange der Kläger die Informationen aber in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter. Die Informationen benötige der Kläger nicht zur Kontrolle der Verwaltung, sondern um Anfechtungsansprüche nach der Insolvenzordnung geltend zu machen. Im Übrigen handele es sich dabei um Informationen, über die der Kläger nach § 9 Abs. 3 IFG bereits verfüge oder aber verfügen könne. Die Höhe der bestehenden Beitragsrückstände der Insolvenzschuldnerin seien dem Kläger durch die Forderungsanmeldung mitgeteilt worden. Auch habe der Kläger Zugriff auf die Bücher der Insolvenzschuldnerin. Selbst wenn ein Informationsanspruch bestünde, sei dieser nach § 3 Nr. 1 lit. g IFG während des Verfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg-Barmbek ausgeschlossen. Der Informationsanspruch sei auch nach § 3 Nr. 6 IFG ausgesch...

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