Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzantragspflicht bei überschuldeter GmbH und fehlendem Rangrücktritt für eigenkapitalersetzendes Darlehen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung einer GmbH entfällt nicht durch Gewährung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens, wenn der darlehensgewährende Gesellschafter keine Rangrücktrittserklärung abgegeben hat. Hierbei ist es unerheblich, dass der Gesellschafter zugleich Geschäftsführer ist.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; GmbHG § 64 Abs. 1; InsO § 19

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Urteil vom 26.11.2003; Aktenzeichen 7 O 108/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.11.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Itzehoe teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des LG vom 13.8.2003 wird teilweise aufgehoben; der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.578,93 EUR nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 8.12.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten und wird die Klage abgewiesen; die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 27 % und trägt der Beklagte 73 %, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die der Kläger trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kl. verlangt vom Bekl., dem ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH Schadensersatz, wegen Insolvenzverschleppung, weil eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung vor der Auftragserteilung an den Kl. bestanden habe.

Das LG hat eine Überschuldung der GmbH wegen gewährter eigenkapitalersetzender Darlehen verneint. Eine Rangrücktrittserklärung, dahin dass der darlehensgebende Gesellschafter außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und innerhalb eines Insolvenzverfahrens im Rang nur hinter den einfachen Insolvenzgläubigern bedient werden dürfe, sei nicht erforderlich gewesen. Denn der Darlehensgeber sei nicht nur Gesellschafter, sondern auch Geschäftsführer gewesen, so dass für diesen keine Unsicherheit über die Nachrangigkeit bestanden habe könne.

Die Berufung hatte in der Sache dem Grunde nach erfolg, in der Höhe aber nur begrenzt auf den zu ersetzenden Vertrauensschaden.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, mit der er Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung und Betruges i.H.v. 6.223,89 EUR begehrt, ist i.H.v. 4.578,93 EUR begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht aus den §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG.

Der Beklagte hat gegen die Insolvenzantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Er ist wegen dieses Delikts vom Strafrichter des AG Itzehoe zu einer Geldstrafe verurteilt worden und hat seine Berufung dagegen zum LG Itzehoe allein auf die Strafhöhe beschränkt.

Er hat nicht bestritten, dass er am 24.8.2000 die gesamte Betriebs- und Geschäftsausstattung der GmbH für rund 90.000 DM veräußert hat. Er hat weiter nicht bestritten, dass er am 6.9.2000 gemeinsam mit dem Mitgesellschafter Volker P. die Gesellschaftsanteile an der GmbH, von der zu diesem Zeitpunkt außer den Verbindlichkeiten nur noch eine leere Hülle vorhanden war, für 3 DM an einen sog. Firmenbeerdiger übertragen hat.

Der Beklagte war sich damit zu diesem Zeitpunkt der aussichtslosen Lage der GmbH bewusst. Er hätte, anstatt die Gesellschaftsanteile zu veräußern und einzelne Gläubiger aus den Veräußerungserlösen zu befriedigen sowie die Gesellschafterdarlehen zu bedienen, beantragen müssen, das Insolvenzverfahren über die GmbH zu eröffnen.

Das für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG erforderliche Verschulden liegt, jedenfalls ab dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte begann, die GmbH auf eigene Faust abzuwickeln, auf der Hand. Seine Einlassung, dass er davon ausgegangen sei, dass der Erwerber der Gesellschaftsanteile die Gesellschaft sanieren wolle, ist angesichts der Umstände nicht glaubhaft.

Beweispflichtig für die objektiven Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung ist der Gläubiger; mangelndes Verschulden hingegen hat der Geschäftsführer in entsprechender Anwendung des § 130a Abs. 3 S. 2 HGB zu beweisen (BGH v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 [200] = GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781).

Wie die Haftung des Beklagten zu berechnen ist und wie der Kläger sie geltend machen kann, bestimmt sich danach, ob der Kläger Altgläubiger (wenn der Anspruch vor dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht entstanden ist) oder Neugläubiger (wenn der Anspruch nach dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht entstanden ist) ist. Für den Altgläubiger ist der Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer auf den Betrag beschränkt, um den sich die Insolvenzquote, die der Gläubiger bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung erhalten hätte, durch Verzögerung der Antragsstellung verringert hat (sog. Quotenschaden; BGH v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 [190] = GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781). Der Schadensersatzanspruch eines Neugläubigers best...

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