Leitsatz (amtlich)

1. Die Partei kann einen Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht stellen.

2. Das Berufungsgericht ist – entspr. früherem Recht – auch nach der ZPO-Reform nicht an den Tatbestand des Erstgerichts gebunden, weil sich § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur auf die im Wege der Beweisaufnahme gewonnenen Feststellungen des Erstgerichts bezieht.

 

Normenkette

ZPO §§ 529, 538

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 15 O 32/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.10.2002 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 15 O 32/02 – einschl. des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Parteien wird auf 4.347,08 Euro festgesetzt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte zu 1) – ob auch ihr zweitbeklagter Ehemann ist unter den Parteien streitig – erteilte der Klägerin im August 1999 den Auftrag, ihr mit einem Flachdach versehenes Hausanwesen mit einem Satteldach aufzustocken und die dafür notwendigen Zimmer-, Klempner- und Dachdeckerarbeiten vorzunehmen. Da es die Klägerin versäumte, entspr. dem Ausbau des Dachstuhls die Schornsteine von dem Flachdach auf die Höhe des Satteldachs zu verlängern, kam es durch die Fortsetzung der Beheizung und den Austritt von Rußpartikeln zu einer Kontamination des Dachstuhls. Wegen dieses Mangels leistete die Beklagte zu 1) auf die Schlussrechnung der Klägerin vom 3.2.2000 über 19.913,87 DM lediglich eine Zahlung i.H.v. 10.000 DM.

Nach Einholung eines Gutachtens über die Kosten der Mängelbeseitigung hat die Klägerin erstinstanzlich die Beklagten auf Zahlung von 6.007,15 Euro (11.748,95 DM) in Anspruch genommen. Dabei hat die Klägerin ihre Restforderung über 9.913,87 DM um den vermeintlichen Mängelbeseitigungsaufwand i.H.v. 1.411,71 DM ermäßigt und dieser Summe 4/5 der Gutachterkosten von 4.058,49 DM, also 3.246,76 DM, zugeschlagen. Unter Berufung auf Mängelbeseitigungskosten i.H.v. 15.300,40 DM hat die Beklagte die Aufrechnung erklärt.

Das LG hat die Klage durch das angefochtene Urteil (Bl. 92–99 d.A.) abgewiesen. Nach seiner Ansicht greift die Aufrechnung durch, weil die Klägerin die von den Beklagten geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten über 15.300,40 DM nicht bestritten habe.

Mit der Berufung verlangt die Klägerin von den Beklagten Zahlung i.H.v. 4.437,08 Euro (8.502,16 DM). Von ihrer Restforderung über 9.913,87 DM bringt die Klägerin, die von den Beklagten nicht mehr Beteiligung an den Gutachterkosten fordert, Mängelbeseitigungskosten i.H.v. 1.411,71 DM in Abzug. Die Beklagten treten dem Berufungsvorbringen entgegen und verteidigen die angefochtene Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LG (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

A. Der Restwerklohnanspruch der Klägerin ist fällig.

Zwar liegt eine Abnahme durch die Beklagten nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Werklohn indes trotz berechtigter Abnahmeverweigerung fällig, wenn der Auftraggeber nicht mehr Erfüllung, sondern wegen der mangelhaften Leistung nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangt. Es findet dann eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt (BGH v. 10.10.2002 – VII ZR 315/01, MDR 2003, 151 = BGHReport 2003, 108 f.; v. 16.5.2002 – VII ZR 479/00, MDR 2002, 1188 = NJW 2002, 3019; BGH NJW 1979, 549).

Die Beklagten haben mit Schreiben vom 27.4.2001 eine Nachbesserung durch die Klägerin abgelehnt und die Setzung einer Nachfrist mit Ablehnungsdrohung als entbehrlich bezeichnet. Ferner haben die Beklagten in diesem Schreiben Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Mithin wurde das Vertragsverhältnis der Parteien in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt.

B. Die Berufung der Klägerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LG, weil das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, der eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig macht.

I. Aufgrund der Neufassung des § 538 Abs. 2 HS 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Unterschied zum früheren Rechtszustand nicht mehr befugt, von Amts wegen eine Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen. Vielmehr ist eine Zurückverweisung nur auf Antrag einer Partei möglich. Ein solcher Antrag muss nicht bereits in der Berufungsbegründung gestellt werden, sondern kann noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in der Berufungsverhandlung nachgeholt werden. Außerdem bestehen keine Bedenken, den Aufhebungsantrag hilfsweise neb...

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