Leitsatz (amtlich)

1. Die normalen Betriebsbedingungen im Sinn von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 umfassen die tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind. Diese umfassen u.a. einen Außentemperaturbereich von -15°C bis +40°C.

2. Zu den normalen Betriebsbedingungen zählen neben den Außenbedingungen auch die üblicherweise vorkommenden Betriebszustände des Motors, somit u.a. sowohl die Warmlaufphase des Motors als auch das Fahren mit betriebswarmen Motor.

3. Zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR) als unzulässiges Emissionskontrollsystem im Sinn von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 und als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 823 Abs. 2, §§ 826, 831; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; EGV 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 04.11.2021; Aktenzeichen 30 O 33/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.11.2021 wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 4.138,66 EUR zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klagepartei zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen in der ersten Instanz die Klagepartei zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5 und in der zweiten Instanz die Klagepartei zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist - soweit nicht abgeändert - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 16.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.

Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz ML 350 CDI 4-Matic am 27.07.2012 von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten mit einer damaligen Laufleistung von 11.100 km zu einem Preis von 41.386,55 EUR netto. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 642 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5. Am 08.07.2021 verkaufte die Klagepartei das Fahrzeug bei einem km-Stand von 174.300 km zum Nettokaufpreis von 8.403,36 EUR an einen Dritten weiter. Die Klagepartei ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.

In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert.

Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - aufgrund einer früheren Zuschaltung des großen Kühlkreislaufes - verzögerte Erwärmung des Motors zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.

Über ein SCR-System verfügt das Fahrzeug nicht.

Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt beantragt für Recht zu erkennen:

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 39.250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung in EUR pro gefahrenem km seit dem 27.07 2012, die sich nach folgender Formel berechnet: (49.250,00 EUR × 163.200 km) : 388.900 km = 20.667,52 EUR;

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz p.a. aus 49.250,00 EUR vom 27.07.2012 bis zur Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs Mercedes ML 350 CDI 4MATIC, FIN WDC1641251A..., mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultieren, zu zahlen.

Im Übrigen erklärte sie den Rechtsstreit für erledigt.

Die Beklagte ist der teilweisen Erledigungserklärung entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

B. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

C. Gegen dieses Urteil hat die Klagepartei Berufung eingelegt.

Unter Anführung des Bruttoerwerbskaufpreises von 49.250 EUR und des Bruttoverkaufspreises von 10.000 EUR beantragt die Klagepartei unter Abänderung des angefochtenen Urteils wie folgt für Recht zu erkennen:

1. die Beklagte zu verurteilen...

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