Leitsatz (amtlich)

1. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags enthaltene Klausel gemäß Nr. 4 BVB des VHB - Bund - Ausgabe 2008 (Stand: Mai 2010) über die Stellung einer Vertragserfüllungssicherheit hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand.

2. Durch das Formblatt "Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft - 421", wonach eine kombinierte Vertrags- und Mängelansprüchebürgschaft (sog. "Kombibürgschaft") in Höhe von 5 % der Auftragssumme gestellt wird, wird die Gefahr einer Übersicherung nicht begründet. Solange der Auftraggeber eine Kombibürgschaft vorliegen hat, kann er keine weitere Mängelansprüchesicherheit verlangen.

 

Normenkette

BGB § 307; VOB/B § 17

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 23.11.2018; Aktenzeichen 15 O 101/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.07.2020; Aktenzeichen VII ZR 159/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23.11.2018, Az. 15 O 101/17,

abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.208.178,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Herausgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft zur Absicherung von Bauleistungen in Anspruch.

Die beklagte Kommune beauftragte nach vorangegangener öffentlicher Ausschreibung mit Zuschlagsschreiben vom 23. April 2013 die Rechtsvorgängerin der Klägerin (i.F. nur Klägerin) mit der Ausführung der Leistungen "Rohbau, Verkehrswege-, Entwässerungskanalbau und Straßentunnel offene Bauweise" beim Bauvorhaben "V." mit einer Bruttoauftragssumme von 41.283.555,41 EUR. Vertragsbestandteil ist das Angebot der Klägerin vom 21. Januar 2013, die VOB/B sowie die "Besonderen Vertragsbedingungen" (BVB) und "Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Einheitliche Fassung (Februar 2010)" (ZVB).

Nr. 4 BVB sieht die Stellung einer Sicherheit vor.

Nr. 4.1 lautet wie folgt:

"Stellung der Sicherheit

Sicherheit für die Vertragserfüllung ist in Höhe von 5 v.H. der Auftragssumme zu leisten, sofern die Auftragssumme mindestens 250.000,00 EUR beträgt.

Die für Mängelansprüche zu leistende Sicherheit beträgt 3 v.H. der Auftragssumme einschließlich erteilter Nachträge.

Rückgabezeitpunkt für eine nicht verwertete Sicherheit für Mängelansprüche (§ 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B):

Nach Ablauf der Verjährungsfrist für alle Mängelansprüche.

Stellt der Auftragnehmer die Sicherheit für die Vertragserfüllung binnen 18 Werktagen nach Vertragsabschluss (Zugang des Auftragsschreibens) weder durch Hinterlegung noch durch Vorlage einer Bürgschaft, so ist der Auftraggeber berechtigt, Abschlagszahlungen einzubehalten, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist.

Nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Sicherheit für die Vertragserfüllung in eine Mängelansprüchesicherheit umgewandelt wird."

Nr. 4.3 BVB ("Sicherheitsleistung durch Bürgschaft") lautet auszugsweise wie folgt:

"Wird Sicherheit durch Bürgschaft geleistet, ist für

  • die Vertragserfüllung das Formblatt Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft - 421,
  • die Mängelansprüche das Formblatt Mängelansprüchebürgschaft - 422 und

...

zu verwenden."

Die Kreissparkasse E. übernahm mit Bürgschaftsurkunde vom 28. Januar 2014 unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 23. April 2014 zwischen der Klägerin und der Beklagten eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einer Gesamthöhe von 2.064.178,00 EUR.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 7. September 2016 zur Rückgabe der Bürgschaft bis spätestens 23. September 2016 auf.

Am 17. März 2017 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Vertrag vom 23. April 2013 aus wichtigem Grund. Die Berechtigung der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung steht zwischen den Parteien im Streit.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 23. November 2018, Az.: 15 O 101/17, verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Bürgschaftsurkunde an die Bürgin herauszugeben, die Klägerin von den Avalprovisionen der Bürgin für die Bürgschaft für den Zeitraum vom 24. September 2016 bis zur Rückgabe der Bürgschaftsurkunde freizustellen sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 10.416,90 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung führt das Landgericht aus, der Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde ergebe sich aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB. Die Beklagte habe die Bürgschaftsurkunde durch Leistung ohne Rechtsgrund erla...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge