Leitsatz (amtlich)

Zur Kostenentscheidung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren - keine alleinige Kostenpflicht des festgestellten Vaters bei eingeräumten Mehrverkehr der Mutter

 

Normenkette

FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, § 169 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Neustadt a.d. Aisch (Aktenzeichen 1 F 286/21)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des festzustellenden Vaters wird der Tenor zu 2) des Endbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a.d. Aisch vom 10.01.2022, Az. 1 F 286/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die beteiligte Mutter und der festzustellende Vater tragen die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

II. Von einer Erhebung von Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.201,78 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Kostenentscheidung in einem Abstammungsverfahren.

I. Mit am 27.08.2021 beim Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt a.d. Aisch eingegangenen Antrag hat das Jugendamt ... Aisch als Beistand des am ... 2021 geborenen Kindes L. beantragt festzustellen, dass der Beschwerdeführer ihr Vater ist. Nach Aussagen der Mutter habe diese zwar im September 2020 Kontakt zu einem anderen Mann gehabt. Dieser komme aber nicht in Frage, weil sie danach noch ihre Periode gehabt habe. Der Beschwerdeführer hat eine Entscheidung nach Sachlage beantragt. Er werde die Vaterschaft gerne anerkennen, wenn feststehe, wer tatsächlich der Vater sei. Da die Mutter "gerne zeitgleich mit mehreren Männern geschlechtlich beiwohne", sei es "wohl aktuell nicht auszuschließen, dass jemand anderes der Vater" sei.

Nach Erholung eines Abstammungsgutachtens, demzufolge diese Vaterschaft praktisch erwiesen ist (Wahrscheinlichkeitswert von 99,99 %), hat der Beschwerdeführer mit am 16.12.2021 bei Gericht eingegangenem Schreiben erklärt, dass er die Vaterschaft anerkenne und gerne annehme.

Das Amtsgericht hat mit Endbeschluss vom 10.01.2022 festgestellt, dass der Beschwerdeführer der Vater des am ... 2021 geborenen Kindes L. ist und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Gegen diesen ihm 14.01.2022 zugestellten Endbeschluss hat der Beschwerdeführer mit am 01.02.2022 bei Gericht eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sich auf "Waffengleichheit" berufen und beantragt, die Frist zur Begründung seiner Beschwerde zu verlängern.

Auf den Hinweis des Senats vom 09.02.2022, dass es sich hier nicht um ein Strafverfahren handele, so dass es nicht möglich sei, ihm für das vorliegende Verfahren einen Pflichtverteidiger zu bestellen, und dass Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die in diesem Rahmen mögliche Beiordnung eines Rechtsanwalts eine hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde sei - welche aufgrund des eindeutigen Abstammungsgutachtens keinen Erfolg verspreche - hat der Beschwerdeführer mit am 18.02.2022 eingegangenem Schreiben mitgeteilt, dass sich seine Beschwerde nur auf die Auferlegung von Verfahrenskosten beziehen solle. Er trage gerne die Verantwortung für sein Kind, verfüge aber nicht über genügend finanzielle Mittel. 2.000 EUR Gerichtskosten stellten für ihn momentan eine große Belastung dar zu seiner ohnehin schwierigen Situation. Er habe nur deshalb auf das Gutachten bestanden, weil die Mutter zur selben Zeit mit mehreren Männern verkehrt habe.

Die übrigen Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, sich aber nicht geäußert.

II. Die Beschwerde ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) und auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 63 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, 65 Abs. 1 FamFG) und der Beschwerdeführer in seinen Rechten betroffen und damit beschwerdeberechtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG). Da es sich bei dem zugrundeliegenden Abstammungsverfahren um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, ist eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung möglich, und zwar unabhängig vom Erreichen eines Mindestbeschwerdewerts (vgl. BGH NJW 2013, 3523). Sie hat auch in der Sache zumindest teilweisen Erfolg.

1. Das Familiengericht hat seine Kostenentscheidung auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG gestützt, ohne die Gründe für die alleinige Kostenpflicht des festzustellenden Vaters näher darzulegen. Daher hat der Senat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Insofern kann dahin stehen, ob eine Ermessensentscheidung des Familiengerichts in vollem Umfang der Überprüfung des Beschwerdegerichts obliegt, so dass das Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen auszuüben hat (so BGH FamRZ 2017, 97 zu § 18 VersAusglG; Weber in BeckOK, FamFG, Stand 01.01.2021; § 81 FamFG Rn. 36a; einschränkend: Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl., § 81 FamFG Rn. 14; Schindler in MüKoFamFG, 3. Aufl., § 81 FamFG Rn. 103 ff.; Feskorn in Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl., § 81 FamFG Rn. 36; a.A. Weber in Keidel, FamFG, 20. Aufl., ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge