Leitsatz (amtlich)

§ 645 BGB enthält einen angemessenen Risikoausgleich zwischen Unternehmer und Besteller und ist anwendbar, wenn der Besteller das Baugrundrisiko im Hinblick auf die Realisierbarkeit des Bauvorhabens trägt.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Urteil vom 02.07.2003; Aktenzeichen 23 O 182/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.7.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Stendal abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.573,42 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.1.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000 Euro nicht.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 18.682,60 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Werklohn für nicht beendete Bohrarbeiten in Anspruch.

Der Beklagte hatte von der Firma A. AG den Auftrag, zwischen den Ortschaften K. und L. Schutzrohre für Glasfaserkabel zu verlegen. Zu diesem Zweck musste u.a. das Betriebsgelände der Firma B. GmbH in Le. unterquert werden. Nachdem es bei den Arbeiten am 5.9.2001 zunächst bei einer Pilotbohrung nach ca. 162 m zu Problemen gekommen war, setzte der Beklagte in einer Tiefe von 6 m eine weitere Bohrung an, die nach 350 m dann auch in einem Zielschacht endete. Da dem Beklagten die erforderliche Aufweitung der Bohrung mit seinem Gerät nicht möglich war, beauftragte er am 14.9.2001 mit den weiteren Arbeiten die Klägerin. Nach dem schriftlich abgeschlossenen Vertrag wurde die Geltung der VOB/B vereinbart; darüber hinaus schloss die Klägerin im Hinblick darauf, dass eine Baugrunduntersuchung nicht stattgefunden hatte, eine Verantwortlichkeit für Risiken, die sich aus der Eigenart des Baugrundes ergeben könnten, aus.

Nachdem die Klägerin zunächst eine Aufweitung auf 250 mm vorgenommen hatte, begann sie am 20.9.2001 mit der endgültigen Aufweitung der Bohrung auf einen Durchmesser von 350 mm. Gegen 23:00 Uhr kam es in einer Entfernung von ca. 30 m in einer Werkhalle der Firma B. GmbH zu einem Aufbruch (sog. Ausbläser), aus dem Bohrflüssigkeit austrat. Zu diesem Zeitpunkt war die Aufweitung der Bohrung auf das erforderliche Maß bereits vollständig abgeschlossen, sodass lediglich noch das Schutzrohr eingezogen werden musste. Angesichts des aufgetretenen Ausbläsers wurden die Arbeiten zunächst gestoppt, weil die Firma B. GmbH auf Grund der Beschädigung ihres Hallenbodens in dieser Situation eine Fortsetzung der Arbeiten untersagte.

Die Klägerin räumte am 21.9.2001 die Baustelle, nachdem morgens gegen 08:00 Uhr eine Ortsbesichtigung stattgefunden hatte, an der auf Klägerseite der Zeuge Sch., auf Beklagtenseite der Zeuge O. sowie ein Vertreter der Firma B. GmbH (Herr B.) teilgenommen hatten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass trotz des Ausbläsers das Schutzrohr hätte eingezogen werden können; dies hätte allerdings kurzfristig geschehen müssen, um die Stabilität des Bohrkanals aufrechtzuerhalten. Da der Rohreinzug unterblieb, ist der Bohrkanal eingebrochen und nunmehr wertlos.

Die Klägerin stellte unter dem 10.10.2001 ihre Arbeiten mit dem vereinbarten Werklohn unter Abzug von 10 % für den nicht mehr vorgenommenen Rohreinzug in Rechnung, wobei sie ein Zahlungsziel bis zum 28.10.2001 angab. Der Beklagte leistete hierauf keine Zahlung.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sie über die schon zuvor bei seinen Arbeiten aufgetretenen Ausbläser nicht informiert. Durch die vorausgegangenen Arbeiten des Beklagten sei der Boden mit Spülflüssigkeit durchtränkt gewesen. Dies habe dazu geführt, dass die von ihr eingebrachte Spülung die noch im Erdreich befindliche Bohrflüssigkeit des Beklagten zum Ausblasen gebracht habe. Sie selbst habe bei der Aufweitung keinen ungewöhnlich hohen Verlust an Bohrflüssigkeit festgestellt. Nach der Baustellenbesichtigung am Morgen des 21.9.2001 habe ihr ein Vertreter des Beklagten, der Zeuge A., die Anweisung gegeben, die Arbeiten abzubrechen und die Bohranlage abzubauen. Auf Grund dieser Anweisung sei der Rohreinzug unterblieben. Die im Bohrkanal befindliche Suspension habe, was allen Beteiligten klar gewesen sei, den Bohrkanal nur für eine kurze Zeit stützen können; danach sei der Kanal zwangsläufig eingebrochen. Nach Abbruch der Arbeiten habe der Zeuge A. ein Nachtragsangebot für die erbrachten Leistungen verlangt, dieses habe sie dann auch erstellt und darauf dann auch die Rechnung gestützt.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 18.682,60 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 29.10.2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, schon zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung am Morgen des 21.9.2001 sei das Bohrgestänge aus dem Bohrkanal...

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