Leitsatz (amtlich)

1. Das Hammerschlags- und Leiterrecht nach § 18 Nachbarschaftsgesetz LSA gibt dem Berechtigten nicht auch das Recht, Hindernisse für die Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zu entfernen.

2. Über den Wortlaut des § 18 NbG LSA hinaus ist zu verlangen, dass das geplante Vorhaben zivilrechtlich statthaft ist. Ein Betretungsrecht kommt daher nicht in Betracht für Arbeiten, die zu einem unberechtigten Grenzüberbau führen.

3. Es besteht keine Pflicht entsprechend § 16 NbG LSA, einen unterirdischen bzw. unwesentlichen Überbau zu dulden.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 08.06.2018; Aktenzeichen 6 O 184/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Juni 2018 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 18 Abs. 1 des NbG LSA auf Duldung der im Klagantrag aufgezählten Handlungen habe. § 18 Abs. 1 NbG LSA sehe eine Duldung "zur ... Durchführung von ... Arbeiten auf dem benachbarten Grundstück", also auf dem Grundstück der Klägerin vor. Hier verlange die Klägerin von der Beklagten hingegen, dass die Beklagte es dulden solle, dass die Klägerin Arbeiten auf dem Grundstück der Beklagten ausführe.

§ 18 Abs. 1 NbG LSA sehe auch nicht die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge vor. Schon vom Wortlaut her umfasse die Benutzung einer Sache nicht das Recht, Arbeiten an dieser Sache durchzuführen und diese - wenn auch nur vorübergehend - umzugestalten. Dies sei auch im Prototyp des Nutzungsvertrages, dem Mietvertrag, so geregelt. Der Mieter dürfe nur dann ohne Zustimmung des Vermieters Veränderungen an der Mietsache durchführen, wenn die Maßnahme des Mieters die Substanz der Mietsache, das Gebäude, den Vermieter und die Mitmieter nicht beeinträchtige. Hier beeinträchtigten die Entfernung der Pflasterung in einer Länge von ca. 16 m und einer Breite von ca. 6 m und Ausgrabungen und Ausschachtungen in einer Tiefe bis zu 6 m die Substanz des Grundstücks der Beklagten ganz erheblich. Auch die Nutzungsmöglichkeit der Parkplätze durch die Mitmieter werde gänzlich beseitigt.

§ 18 NbG LSA habe nur eine ganz geringfügige Nutzung im Auge. Dies werde auch aus dessen Absatz 2 deutlich. Der von seinen Voraussetzungen etwa wortgleiche § 24 NbG NRW, welcher noch nicht einmal den eng gefassten Abs. 2 des § 18 NbG LSA enthalte, gewähre ebenfalls nicht das Recht zur zielgerichteten Beschädigung einer fremden Sache und zum Eingriff in die Bodensubstanz des Nachbargrundstücks. Nach der Rechtsprechung des BGH umfasse das Hammerschlagsrecht nicht die Befugnis, Hindernisse, die seiner Ausübung entgegenstehen, zu beseitigen. Genau dies verlange die Klägerin jedoch, wenn die Beklagte dulden soll, dass die Parkplatzpflasterung beseitigt wird, damit sie die geplanten Arbeiten an ihrer Außenwand durchführen kann.

Auf § 16 NbG LSA könne sich die Klägerin nicht berufen. Voraussetzung hierfür sei nach dessen Nr. 1 nämlich, dass nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur auf dem benachbarten Grundstück, also auf dem Grundstück der Klägerin, bis an die Grenze gebaut werden dürfe. Das sei hier nicht der Fall.

Der Anspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Nur aus einem zwingenden Sachgrund könne ganz ausnahmsweise von der ausdrücklichen nachbarrechtlichen Regelung abgegangen werden. Ein solcher fehle hier. Nach allgemeinen Grundsätzen könne jeder mit seinem Eigentum nur in den Grenzen und unter den Bedingungen umgehen, unter denen er es vorgefunden habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie - mit Ausnahme der Duldung der Zwischenlagerung des Erdaushubs - ihre erstinstanzlichen Klaganträge weiterverfolgt und zur Begründung ausführt:

Das Landgericht habe das rechtliche Gehör durch ein Überraschungsurteil verletzt, weil es seine Klagabweisung auf eine sehr enge und wortlautbasierte Auslegung des Gesetzestextes stütze, die es erstmalig in seinem Urteil habe erkennen lassen. Sie habe mit einem derart engen Normverständnis nicht rechnen müssen. § 18 Abs. 1 NbG LSA sei von dem Landgericht zu eng ausgelegt und sein Anwendungsbereich über Gebühr eingeschränkt worden. Die Vorschrift erfasse nicht nur geringfügige Beeinträchtigungen...

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