Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehen: Kündigung der Bank bei Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer Buchgrundschuldbestellungsurkunde; unzureichende Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Regelmäßig ist in der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung einer Urkunde, in der sich der Darlehensnehmer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, keine Kündigung des Darlehens zu erblicken, jedenfalls wenn die Vollstreckungsklausel unabhängig von der Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs erteilt werden konnte. (Rn. 84)

2. Erst die Einleitung konkreter Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durch den Darlehensgeber ändert daran etwas, weil nun der Darlehensgeber für den Darlehensnehmer deutlich erkennen lässt, dass und welche Ansprüche er in welcher Höhe geltend macht; dieses Verhalten enthält eine Kündigungserklärung. (Rn. 85)

3. Das Merkmal der "unzureichenden" Angabe, bei welcher gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen ist, ist denkbar eng und restriktiv auszulegen. (Rn. 107)

4. Jedenfalls ist eine Auslegung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB dahingehend, dass jede fehlerhafte Angabe oder Ungenauigkeit bei den Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu einem Entfallen des Anspruchs des Darlehensgebers auf diese führt, abzulehnen. Es handelt sich bei der Beurteilung stets um eine Frage des Einzelfalles. (Rn. 108) (Rn. 109)

 

Normenkette

BGB § 491 Abs. 3 S. 1, § 492 Abs. 2, § 500 Abs. 2 S. 2, § 502 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2; EGBGB Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 28.03.2023; Aktenzeichen 28 O 16665/21)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.03.2023, Az. 28 O 16665/21, wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 58.074,29 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten begehrten und teils bereits vereinnahmten Vorfälligkeitsentschädigung für die vorzeitige Rückführung eines Immobiliar-Verbraucherdarlehens sowie die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde einer zu dessen Absicherung bestellten Buchgrundschuld.

Der Kläger ist Verbraucher, die Beklagte ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach französischem Recht (Société Anonyme) mit Niederlassung in M. (s. Anlage B 1).

Am 14.11.2019 schlossen die Parteien einen als "Grundschuldbesicherter Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (Annuitätendarlehen)" bezeichneten Kreditvertrag (Anlagen K 1 - K 23; im Folgenden: Darlehensvertrag). Der Nettodarlehensbetrag belief sich auf 219.000 EUR, der bis zum 31.12.2024 gebundene Sollzinssatz auf 6,72 % p.a. und der effektive Jahreszins auf 7,56 % p.a. Die Vertragslaufzeit betrug 25 Jahre. Der Betrag der monatlichen Annuitätsraten belief sich auf 1.500,15 EUR.

Der Darlehensvertrag enthielt in Ziffer 4.1 unter anderem die Verpflichtung des Klägers, der Beklagten eine Grundschuld über 219.000 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 14 % p.a. auf die in seinem Eigentum stehende Wohnung im Anwesen ... in ... (im Folgenden: Eigentumswohnung) einzuräumen, weiterhin für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld die persönliche Haftung zu übernehmen und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen. Die Eigentumswohnung hatte der Kläger bereits Jahre zuvor erworben.

Dazu war in Ziffer 4.2.2. vereinbart, dass der Kläger als weitere Sicherheit zugunsten der Beklagten eine Lohn- und Gehaltsabtretung vorzunehmen hatte.

In Ziffer 5.4 ist unter der Überschrift "Vorfälligkeitsentschädigung" folgendes geregelt:

"Soweit im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung nach§ 500 Abs. 2 Satz 2 BGB(vgl. Ziffer 2.3) oder im Fall einer Kündigung nach§ 490 Abs. 2 BGBeine Ablöseentschädigung zu zahlen ist, berechnet sich diese wie folgt: Die Bank berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung finanzmathematisch nach der sogenannten 'Aktiv-Passiv'-Methode. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist der Zeitpunkt, zu dem die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensvaluta bei der Bank eingeht.

Im Einzelnen rechnet die Bank wie folgt:

Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte und ihres etwaigen Rechts auf Anpassung des Tilgungssatzes, wann und in welcher Höhe Zahlungen von dem Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn da...

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