Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugewinnausgleich im Todesfall: Zusammentreffen von türkischem Erbstatut und deutschem Güterrechtsstatut

 

Leitsatz (amtlich)

Bei türkischem Erbstatut und deutschem Güterrechtsstatut findet ein Zugewinnausgleich durch Erhöhung der Erbquote des Ehegatten nach § 1371 Abs. 1 BGB nicht statt.(Rz. 15)

 

Normenkette

BGB § 1371 Abs. 1, § 1931 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Köln (Beschluss vom 16.02.2011; Aktenzeichen 31 VI 190/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird das AG angewiesen, den Erbschein des AG Köln vom 16.2.2011 - 31 VI 190/10 - einzuziehen.

Eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 55.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

1. Der Erblasser war türkischer Staatsangehöriger und lebte seit 1964 in Deutschland; die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Töchter aus erster Ehe; eine weitere Tochter aus erster Ehe ist im Jahre 1968 vorverstorben. Am 28.1.1991 schloss er mit der Beteiligten zu 1) in L. die Ehe und lebte mit ihr dort bis zu seinem Tode; einen Ehevertrag schlossen die Eheleute nicht.

Der Erblasser verstarb am 26. oder 27.12.2009 ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Auf seinen Namen ist in den Wohnungsgrundbüchern von M. Blatt 3110 und von N. Blatt 19103 Wohnungseigentum eingetragen.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 2.6.2010 haben die Beteiligten zu 2) und 3) die Erteilung eines Erbscheins beantragt und mitgeteilt, der Erblasser habe über zwei Eigentumswohnungen in L. verfügt; mit Schriftsatz vom 5.7.2010 haben sie erklären lassen, das Erbe anzunehmen.

Mit Schreiben vom 8.12.2010 hat die Beteiligte zu 1) mitgeteilt, sie verzichte auf ihren "Erbanteil des Grundstücks in der Türkei (J.)" und benötige aus diesem Grund "keinen gemeinsamen Erbschein nach türkischem Recht". Am 10.12.2010 hat sie vor dem AG Köln die Erteilung eines gemeinschaftlichen, auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkten Erbschein beantragt, der sie zu ¼-Anteil und die Beteiligten zu 2) und 3) zu je 3/8-Anteil als Erben ausweisen solle, und die Richtigkeit der von ihr gemachten Angeben an Eides Statt versichert. Auf einen Hinweis des AG, es finde deutsches Güterrecht Anwendung, weshalb sich die Erbquote der Beteiligten zu 1) auf ½ erhöhe, hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 27.12.2010 beantragt, ihre "Erbquote auf ½ der Erbschaft zu erhöhen". Nach schriftlicher Anhörung des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) und 3) hat das AG durch Beschluss vom 11.2.2011die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet; am 16.2.2011 hat die Richterin des Nachlassgerichts einen gemeinschaftlichen, auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkten Erbschein erteilt, der "kraft gesetzlichen türkischen Erbrechts und deutschen Güterrechts" die Beteiligte zu 1) als Erbin zu 1/2-Anteil sowie die Beteiligten zu 2) und 3) als Miterbinnen zu je ¼ Anteil auswies. Die Absendung der Ausfertigungen des Erbscheins an die Beteiligte zu 1) sowie die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) und 3) ist unter dem 23.3.2011 vermerkt worden.

Mit am 5.4.2011 beim AG eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4.4.2011 haben die Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Erbschein Beschwerde eingelegt und beantragt, den gemeinschaftlichen Erbschein aufzuheben und entsprechend dem türkischen Erbrecht den Erbschein neu auszustellen; mit Schriftsatz vom 5.5.2011 haben sie ausgeführt, nach türkischem Recht erbe der Ehegatte neben den direkten Abkömmlingen ¼, wobei das Ehegüterrecht keine besonderen rechtlichen Auswirkungen auf die Erbschaft habe; sie haben beantragt, "die erhaltenen Erbscheine einzuziehen und für kraftlos zu erklären".

Der Beschwerde hat das AG durch Beschluss vom 26.5.2011 nicht abgeholfen und sie dem OLG vorgelegt.

2. Über die Beschwerde entscheidet nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG n.F. i.V.m. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das OLG als Beschwerdegericht. Der Senat trifft diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (vgl. OLG Schleswig, FGPrax 2010, 106 [107] = NJW-RR 2010, 1596 [1597]).

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) ist zulässig.

Sie ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie ist auch in rechter Frist (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG) eingelegt worden. Durch den Eingang der Beschwerdeschrift beim AG am 5.4.2011 ist die Monatsfrist gewahrt worden. Der Erbschein gilt drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG); vorliegend ist er Akte ein Absendevermerk vom 23.3.2011 zu entnehmen, so dass die Beschwerde rechtzeitig unabhängig davon eingelegt worden ist, ob die vermerkte Absendung die Voraussetzungen einer Aufgabe zur Post i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG erfüllt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 61 Abs. 1 FamFG) übersteigt den Betrag von 600 EUR.

Die Beschwerde hat mit dem Ziel, die Einziehung des der Beteiligten zu 1) erteilten Erbscheins zu erreichen (§ 352...

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