Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Leistung von Rechtshilfe gem. §§ 59, 66 IRG - hier: Herausgabe beschlagnahmter Kontounterlagen an die Schweiz - bei Einwendungen der Bank.

 

Tenor

Die Leistung von Rechtshilfe aufgrund des Rechtshilfeersuchens des Untersuchungsrichters des Kantons Neuchatel/Schweiz vom 14. Dezember 2009 ist zulässig.

Die Einwendungen der Drittbeteiligten gegen die Herausgabe der von ihr mit Schreiben vom 15. Juni 2010 und vom 23. Juni 2010 an die Staatsanwaltschaft K. übersandten Unterlagen betreffend das bei ihr bestehende Konto des Beschuldigten an die schweizerischen Behörden des Kantons Neuchatel werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Justizbehörden des Kantons Neuchatel/Schweiz führen gegen den am 09.01.2010 in der Schweiz festgenommenen und seither dort in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten M. P. ein Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes. Er soll am 08.04.2009 in Neuchatel gemeinschaftlich mit weiteren Tätern ein Juweliergeschäft überfallen haben. Bei dem Überfall soll eine Schusswaffe verwendet und eine bedeutende Menge Juwelen und Luxusuhren erbeutet worden sein. Im Zuge seiner Ermittlungen hat der Untersuchungsrichter des Kantons Neuchatel mit Schreiben vom 14.12.2009 an die Staatsanwaltschaft k. unter anderem die Identifizierung der Bankverbindungen des Beschuldigten sowie die Beschlagnahme und Herausgabe der Kontounterlagen erbeten. Das Rechtshilfeersuchen ist von der Staatsanwaltschaft K. mit Verfügung vom 23.12.2009 bewilligt worden. Mit Beschluss vom 01.06.2010 hat das Amtsgericht K. unter anderem die Beschlagnahme der Kontoeröffnungsunterlagen und einer Kontoverdichtung für das bei der C.Bank AG bestehende Konto Nr. xy des Beschuldigten angeordnet. Zur Abwendung der Durchsuchung und der Beschlagnahme hat die Bank mit Schreiben vom 15. und 23.06.2010 Kopien der Kontoeröffnung vom 29.04.2009 sowie der Kontokorrentumsätze nebst einer Gesamtumsatzliste und Belegen übersandt. Nach einem Vermerk der Staatsanwaltschaft K. vom 19.02.2010 widerspricht die Bank jedoch "zur Vermeidung von Regressansprüchen" der Herausgabe der Unterlagen an die schweizerischen Behörden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat vorgelegt mit dem Antrag, die erbetene Rechtshilfe für zulässig zu erklären und die Einwendungen der Bank zurückzuweisen.

II. 1. Eine Entscheidung des Senats ist nach § 61 Abs. 1 S.2 IRG veranlasst. Nach dieser Bestimmung hat das Oberlandesgericht zum einen auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft (Alt.1), zum anderen im Falle des § 66 IRG auf Antrag des von der Herausgaberechtshilfe Betroffenen (Alt.2) darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Leistung der Rechtshilfe gegeben sind. Jedenfalls nach der ersten Alternative ist hier die Entscheidung des Senats veranlasst.

2. Die Zulässigkeit der Rechtshilfe beurteilt sich nach § 59 IRG, hinsichtlich der Herausgabe der Unterlagen zusätzlich nach § 66 IRG und des weiteren nach Artt. 3 ff EuRhÜbk, da sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Schweiz Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen - EuRhÜbK - sind. Des weiteren ist der bilaterale Vertrag vom 13.11.1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EuRhÜbK und die Erleichterung seiner Anwendung zu beachten (vgl. Schomburg/Lagodny, aaO., Vertragstabelle zum EuRhÜbk S. 522 ff, sowie zum Ergänzungsvertrag S. 628 ff)).

3. Der in Art. 15 Abs. 1 EuRhÜbK vorgesehenen Übermittlung des Ersuchens auf diplomatischem Weg bedurfte es nicht. Der Ergänzungsvertrag vom 13.11.1969 bestimmt abweichend hiervon in Art. VIII Abs. 1, dass die Justizbehörden der beiden Staaten unmittelbar miteinander verkehren können.

4. Nach §§ 59, 66 Abs. 1 IRG ist Rechtshilfe "auf Ersuchen einer zuständigen Stelle eines ausländischen Staates" zu leisten, wobei es der Prüfung der Zuständigkeit der ersuchenden Stelle in der Regel nicht bedarf, wenn diese nach ihrem Geschäftsbereich und den Gepflogenheiten im zwischenstaatlichen Rechthilfeverkehr für die Stellung des Ersuchens befugt erscheint (Grützner/Pötz/Wilkitzki, aaO., § 59 Rdn. 12).

Von einer solchen Befugnis ist bei dem Untersuchungsrichter des Kantons Neuchatel, der das Ersuchen gestellt hat, ohne weiteres auszugehen.

5. Für den Inhalt des Ersuchens um Herausgabe werden nach § 66 Abs. 2 IRG gegenüber der sonstigen Rechtshilfe im Rahmen des § 59 IRG zusätzliche Anforderungen gestellt (vgl. Grützner/Pötz, aaO. § 66, Rdn. 5). Diese sind hier erfüllt.

a) Soweit (nur) Ablichtungen herausgegeben werden sollen, unterfällt dies dem Anwendungsbereich des § 66 IRG. Denn Kopien kommen in gleicher Weise wie Originale ebenfalls als Beweismittel in Betracht, so dass ihre Herausgabe nicht als bloßes Auskunftsersuchen zu behandeln ist (vgl BGHSt 33, 196, 208 ff; Senat 11.6.03 - 6 Ausl 27/03-5/03 -; Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl, § 66 Ra...

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