Leitsatz (amtlich)

Nach der Auswahlentscheidung im Verfahren nach § 47 EnWG können nur Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung gerügt werden, die aus der Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG erkennbar sind. Rechtsverletzungen, die bereits aufgrund der Bekanntmachung der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens mit den vorangegangenen Verfahrensbriefen erkennbar waren, müssen nach § 47 Abs. 2 EnWG innerhalb von 15 Kalendertagen ab deren Zugang gerügt werden. Die in der vorangegangenen Stufe rügbaren Rechtsverletzungen können weder erstmals und noch gar erneut in der nachfolgenden Stufe geltend gemacht werden.

 

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 9. Juni 2021 - 14 O 66/21 Kart - wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin.

 

Gründe

I. Im laufenden Konzessionierungsverfahren um das Stromnetz im Gebiet der Gemeinde [Bekl.], dessen Auswahlkriterien nebst Gewichtung bereits Gegenstand des Verfahrens 22 O 27/18 Kart (nachgehend OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.08.2019 - 6 U 109/18 Kart) waren, hat die beklagte Gemeinde (Verfügungsbeklagte: im Folgenden: Beklagte) der als Bieterin teilnehmenden Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) mitgeteilt, dass sie aufgrund eines Beschlusses ihres Gemeinderates vom 21.07.2020 beabsichtige, den Zuschlag der [Streith.] (im Folgenden: Streithelferin) zu erteilen (Anlage ASt 4). Grundlage des Konzessionierungsverfahrens sind die Bieterinformation (Anlage ASt 1), überarbeitete Verfahrensunterlagen (Anlage ASt 2) und der Entwurf eines Konzessionsvertrages (Anlage ASt 3).

Parallel zu ihrem Konzessionsvertragsangebot hat die Streithelferin der Gemeinde eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an ihr angeboten. Dieses Angebot fand die Zustimmung der Gemeinde. Einer diesbezüglichen Beschlussvorlage vom 13.07.2020 (Anlage ASt 5), wonach die Antragsgegnerin eine atypisch stille Beteiligung an der Streithelferin eingehen sollte, stimmte der Gemeinderat zeitgleich mit der Entscheidung über die Konzessionsvergabe am 21.07.2020 zu.

Das Absageschreiben (Mitteilung gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG) enthält die nachfolgend wiedergegebene tabellarische Übersicht, wieviele Wertungspunkte die Klägerin, die Streithelferin als siegreiche Bieterin sowie ein namentlich nicht genannter dritter Bieter bei den einzelnen Auswahlkriterien erreicht haben.

((Abbildung))

Die Klägerin hat nach vorausgegangener Akteneinsicht gegen die Auswahlentscheidung mit Schreiben vom 16.02.2021 (Anlage ASt 6) diverse Rügen vorgebracht. Diesen Rügen wurde nicht abgeholfen (Schreiben der Gemeinde vom 15.03.2021, Anlage ASt 7). Die Klägerin hält die Verfahrensgestaltung und die Auswahlentscheidung für rechtswidrig und macht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG einen Unterlassungsanspruch aus § 33 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. §§ 19 GWB, 46 EnWG gegen die angekündigte Zuschlagserteilung geltend.

Die Klägerin hat vorgetragen, die gewählte Verfahrensgestaltung sei grundsätzlich fehlerhaft und rechtswidrig, weil sie den Leistungswettbewerb unterbinde und regionale Flächennetzbetreiber wie die Klägerin in unzulässiger Weise diskriminiere. Da die Konzessionsvergabe faktisch allein vom Angebot der Bieter beim Auswahlkriterium Preisgünstigkeit abhänge, habe die Klägerin von vorneherein keine Chance auf die Konzession gehabt. Denn die Gemeinde habe bei allen anderen Kriterien nicht die Leistungsfähigkeit der Bieter vergleichend gegenübergestellt, sondern es mit der Annahme möglicherweise leerer Versprechungen bewenden lassen. Das sei rechtswidrig. Die Klägerin müsse aufgrund der nunmehr vorliegenden Informationen über die Beteiligung der Gemeinde an die Streithelferin davon ausgehen, dass das Verfahren bewusst so ausgestaltet worden sei, damit die Streithelferin zwingend als Bieterin mit den günstigsten Netzentgelten zum Zuge komme.

Aber auch unbeschadet solcher diskriminierenden Intentionen sei die Verfahrensgestaltung zur Auswahl des bestgeeigneten Bieters evident ungeeignet, wenn - wie geschehen - am Ende alle Bieter bei allen Auswahlkriterien mit Ausnahme der Preisgünstigkeit gleich gut bewertet werden müssten. In einem an den gesetzlichen Zielen ausgerichteten Auswahlverfahren wäre die Gemeinde gehalten gewesen, die unterschiedlichen Stärken und Schwächen der Bieter zu ermitteln und diskriminierungsfrei sowie ohne Vorfestlegung wertend gegenüberzustellen. Dies sei fehlerhaft unterblieben. Indem die Gemeinde alle den Bietern zur Auswahl stehenden Gestaltungsvarianten vorgegeben habe, habe sie den Wettbewerb erdrosselt. Die einzige aus dem Auswahlverfahren gewonnene Erkenntnis sei, dass alle Bieter in der Lage seien, vollmundige Zusagen zu machen, gleichsam ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen.

Der Verweis auf Sonderkündigungsrechte bei Nichteinhaltung der gegebenen Zusagen sei ungeeignet, um die gebotene Qualitätskontrolle im Sinne einer Plausibili...

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