Entscheidungsstichwort (Thema)

Mittelbare Gläubigerbenachteiligung bei Befriedigung von Insolvenzgläubiger mit Darlehen aus nicht ausgeschöpfter Kreditlinie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Befriedigung eines (späteren) Insolvenzgläubigers unter Inanspruchnahme von Darlehensmitteln aus einer nicht ausgeschöpften Kreditlinie bewirkt regelmäßig eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung (Anschluss an BGH ZIP 2002, 489).

2. Diese Benachteiligung wird nicht dadurch wieder beseitigt, dass ein dritter Sicherungsgeber die darlehensgewährende Kreditbank befriedigt.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 12 O 307/02)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.2.2003 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Der Kläger - in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter - begehrt gem. §§ 143, 130 InsO Rückerstattung einer von der Schuldnerin an den Beklagten geleisteten Zahlung, die aus einer nicht ausgeschöpften, bei der Hausbank der Schuldnerin eingeräumten Kreditlinie erbracht worden ist. Das LG hat die Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 Abs. 1 InsO bejaht und den Beklagten antragsgemäß zur Erstattung verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu. Die Rechtshandlung unterliegt als kongruente Deckungshandlung der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO.

1. Die Zahlung hat zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt (§ 129 Abs. 1 InsO).

Die Leistung ist nicht aus vorhandenem Vermögen der Schuldnerin, sondern aus einer nicht ausgeschöpften Kreditlinie erbracht worden. Dennoch kann die Gläubigerbenachteiligung nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, es habe im wirtschaftlichen Ergebnis nur eine die übrigen Gläubiger nicht benachteiligende Auswechselung der Gläubiger stattgefunden.

Die Frage, ob die Befriedigung eines Gläubigers aus dem Schuldner gewährten Darlehensmitteln die übrigen Gläubiger benachteiligt, wird nicht einheitlich beantwortet. Nach der Entscheidung des BGH vom 15.2.1990 (BGH v. 15.2.1990 - IX ZR 149/88, MDR 1990, 915 = NJW 1990, 2687) kann eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger darin liegen, dass die als Kredit der Gemeinschuldnerin zur Verfügung stehenden Mittel für eine inkongruente Befriedigung verbraucht und nicht in anderer Weise zum Nutzen ihres Geschäftsbetriebes verwendet worden sind. Maßgebliches Abgrenzungskriterium wäre danach die Inkongruenz; bei einer - wie hier gegebenen - kongruenten Deckung schiede eine Anfechtbarkeit jedoch aus. Dagegen ist eingewandt worden, dass die Unterscheidung nach Kongruenz oder Inkongruenz nicht tauglich sei. Eine Anfechtung komme in Betracht, weil der Anspruch auf Krediteinräumung pfändbar sei (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 123, unter Hinweis auf BGH v. 29.3.2001 - IX ZR 34/00, MDR 2001, 1014 = BGHReport 2001, 437 = WM 2001, 898). Die Gläubigerbenachteiligung sei grundsätzlich unabhängig von einer Kongruenz oder Inkongruenz zu beurteilen (vgl. Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 7. Aufl., Vorauflage S. 6). Nach dieser Ansicht soll zur Feststellung einer Gläubigerbenachteiligung im Einzelnen geklärt werden müssen, für welche konkreten Zwecke die Kreditmittel hätten verwendet werden können und ob durch den anderen Mitteleinsatz dem Schuldner Vorteile zugeflossen wären, die die Gesamtheit der Gläubiger besser gestellt hätten (Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 7. Aufl., Vorauflage S. 7). Des Weiteren wird die Gläubigerbenachteiligung auch nach dieser Auffassung dann abgelehnt, wenn die Darlehensforderung der kreditgebenden Bank für die Insolvenzmasse nicht ungünstiger ist als der getilgte Anspruch des anderen Insolvenzgläubigers (Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 123).

Danach schiede im vorliegenden Fall unter Anwendung des vom BGH seinerzeit angenommenen Abgrenzungskriteriums der Inkongruenz eine Gläubigerbenachteiligung bereits wegen gegebener Kongruenz aus. Es würde sich indes die Frage stellen, ob eine Benachteiligung wegen einer besseren Absicherung der kreditgebenden Bank, die sich zum Nachteil der übrigen Gläubiger auswirkt, dennoch zu bejahen wäre. Hierbei wäre weiter zu fragen, ob jede Absicherung der Bank berücksichtigt werden könnte oder ob zwischen von Dritten gegebenen Sicherheiten und solchen Sicherheiten, die vom Schuldner selbst gestellt worden sind, unterschieden werden müsste.

Der BGH hat die Frage nach der Gläubigerbenachteilung durch Befriedigung eines späteren Insolvenzgläubigers mit Darlehensmitteln aber nunmehr unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung dahin beantwortet, dass hierdurch regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung bewirkt werde, wenn das Schuldnervermögen nach der Verfahrenseröffnung nicht ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen (BGH, Urt. v. 7.2.2002 - IX ZR 115/9...

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