Leitsatz (amtlich)

Die Besorgnis der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung des Herausgabeanspruches lässt sich nicht (allein) aus dem mit der Weiterbenutzung verbundenen Wertverlust herleiten. Nur dann, wenn durch den Gebrauch die Sachsubstanz so nachhaltig beeinträchtigt wird, dass der Herausgabeanspruch wirtschaftlich ausgehöhlt wird, kann eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe an den Sequester gerechtfertigt sein.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Entscheidung vom 07.09.2010; Aktenzeichen 5 O 110/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 23.09.2010 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 07.09.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf bis 3.100,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit einem am 19.08.2010 beim Landgericht Essen eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom Antragsgegner die Herausgabe eines Pkw Audi Q 7 (amtl. Kennzeichen ####) nebst Fahrzeugschlüssel und Fahrzeugschein an sich verlangt.

In der Nacht zum 20.08.2010 ist das Fahrzeug unter Verwendung eines Zweitschlüssels vom Grundstück des Antragsgegners in den Besitz der Antragstellerin verbracht worden. Die Einzelheiten sind streitig.

Nachdem auch der Fahrzeugschlüssel und der Fahrzeugschein an die Antragstellerin herausgegeben worden sind, haben die Parteien Anfang September 2010 den Rechtsstreit in der Hauptsache für insgesamt erledigt erklärt.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 07.09.2010 der Antragstellerin gemäß 91 a ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei mangels Verfügungsgrundes unbegründet gewesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Wenn sie ein langwieriges Hauptsacheverfahren hätte durchführen müssen, wäre bei fortdauernder unberechtigter Nutzung des Fahrzeuges durch den Antragsgegner eine erhebliche Wertminderung desselben eingetreten. Zudem ergebe sich der Verfügungsgrund unter dem Gesichtspunkt der verbotenen Eigenmacht gemäß § 858 BGB.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 05.10.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden gewesen. Das Landgericht hat dabei zu Recht der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes unbegründet gewesen ist.

1.

Die Antragstellerin hat bereits einen Verfügungsanspruch nicht schlüssig dargelegt. Eine Anspruchsgrundlage ist nach Aktenlage nicht ersichtlich:

§ 985 BGB scheidet als Anspruchsgrundlage aus, da die Antragstellerin nach eigenem Vortrag (vgl. Bl. 42) den Audi lediglich geleast hat.

Ein Vertragsverhältnis hat zwischen der Fa. H und dem Antragsgegner und der Antragstellerin und der Fa. H, nicht aber zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner bestanden. Daher kommen vertragliche Ansprüche zwischen den Parteien ebenfalls nicht in Betracht.

Die Antragstellerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Fa. H ihre etwaigen vertraglichen Ansprüche gegen den Antragsgegner an sie abgetreten habe.

Auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB (Eingriffskondiktion) dürfte im Ergebnis nicht gegeben sein. In dem vorliegenden Mehrpersonenverhältnis hat der Antragsgegner den Besitz an dem Pkw durch eine Leistung der Fa. H erlangt. Im Bereicherungsrecht gilt der Grundsatz des Vorranges der Leistungsbeziehung.

Letztlich steht der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auch kein Anspruch aus § 861 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB (verbotene Eigenmacht) zu. Durch § 858 BGB wird nur bestehender unmittelbarer Besitz geschützt. Verbotene Eigenmacht kann daher gegenüber dem mittelbaren Besitzer nicht ausgeübt werden (vgl. BGH NJW 1977, 1818 und Palandt-Bassenge, 69. Aufl. 2010, § 858 BGB, Rdn. 2). Sowohl die Antragstellerin als auch die Fa. H hattten keinen unmittelbaren Besitz an dem Pkw Audi. Unmittelbarer Besitzer des Fahrzeuges war allein der Antragsgegner. Die Fa. H hatte ihm den unmittelbaren Besitz im Rahmen des am 29.04.2010 geschlossenen Partnerschaftsvertrages übertragen. Der Antragsgegner war insoweit kein Besitzdiener der Fa. H im Sinne von § 855 BGB, da er die Sachherrschaft über dem Pkw nicht weisungsabhängig ausübte. Ein Anspruch der Antragstellerin aus §§ 869, 861 Abs. 1 BGB wegen verbotener Eigenmacht des Antragsgegners scheidet daher aus.

2.

Zudem fehlt es - was das Landgericht zutreffend erkannt hat - an einem Verfügungsgrund. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft macht, dass ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO bestanden hat.

a)

Zunächst ist hier zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Herausgabe des Pkw’s an sich selbst verlangt ha...

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