Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde Verfolgungsverjährung. Anhörung. EDV. Computer. hinterlegter elektronischer Befehl. kein Handzeichen erforderlich. Nachvollziehbarkeit im Verlaufsprotokol. Eingabe des Geschlechts des Fahrers nach Auswertung des Meßfotos. automatische Halterantrage. automatischer Ausdruck des Anhörungsbogens nach automatischer Überprüfung des Geschlechts des Halters

 

Leitsatz (amtlich)

Eine gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens liegt immer dann vor, wenn ein Ermittlungsorgan den Willen geäußert hat, dass dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt werden soll. Insoweit macht es keinen sachlichen Unterschied, ob eine schriftliche Verfügung des Sachbearbeiters, den Anhörungsbogen zu erstellen und zu versenden, an eine mit dieser Aufgabe betraute Schreibkraft gerichtet oder ob eine in der Sache identische, aber elektronisch gespeicherte Verfügung des Sachbearbeiters vom Arbeitsprogramm des Rechners ausgeführt wird. In beiden Fällen wird der vom Sachbearbeiter gefaßte Wille, gegen einen bestimmten Betroffenen wegen einer bestimmten mit Bußgeld bedrohten Handlung vorzugehen, auf gleiche Weise konkretisiert.

 

Normenkette

OWiG § 33

 

Verfahrensgang

AG Ibbenbüren (Entscheidung vom 16.05.2008)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Ibbenbüren zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Steinfurt vom 17. Dezember 2007 eine Geldbuße in Höhe von 125,00 Euro sowie unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden. Der Betroffene soll am 12. September 2007 um 3.21 Uhr als Führer des Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen OS xxxx in Ibbenbüren im Bereich der L 501/L 796 in Fahrtrichtung Lotte/Osnabrück außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h infolge Fahrlässigkeit um 46 km/h überschritten haben. Gegen den ihm am 19. Dezember 2007 zugestellten Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2007, der am selben Tage bei dem Kreis Steinfurt eingegangen ist, Einspruch eingelegt.

In der Hauptverhandlung vom 16. Mai 2008 hat das Amtsgericht den Betroffenen aus Rechtsgründen freigesprochen, weil zwischen Tatbegehung und Erlass des Bußgeldbescheides Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Die Frage einer zwischenzeitlichen Verjährungsunterbrechung hat das Amtsgericht nicht geprüft.

Hiergegen richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster, die mit der Rüge der Verletzung des materiellen Rechts die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ibbenbüren begehrt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich diesem Antrag insoweit angeschlossen, als die Zurückverweisung an das Amtsgericht Ibbenbüren beantragt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster hat jedenfalls einen vorläufigen Erfolg.

Abgesehen davon, dass bei Vorliegen eines Verfahrenshindernisses das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO hätte durch Urteil eingestellt werden müssen, ist Verfolgungsverjährung auch nicht eingetreten. Bei der Prüfung von Verfahrenshindernissen ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht an die vom Tatrichter hierzu getroffenen Feststellungen gebunden, sondern hat dies selbst unter Benutzung aller ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren zu prüfen (vgl. Göhler, OWiG, 51. Auflage, § 79 Rdnr. 47 a).

Vorliegend ergaben sich bereits aus Bl. 5, 9 und 11 d.A. deutliche Hinweise darauf, dass unter dem 19. Oktober 2007 eine Anhörung des Betroffenen erfolgt ist. Insoweit ist auch nicht erforderlich, dass für die Wirksamkeit einer solchen Anordnung zur Dokumentation der Übernahme der Verantwortung des Sachbearbeiters und für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums der Verfügung die Anbringung einer Unterschrift oder eines Handzeichens in der Akte geboten wäre (so noch die Beschlüsse des OLG Dresden vom 27.4.2004 (DAR 2004, 534) und vom 10.5.2005 (DAR 2005, 570)). Eine gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens liegt vielmehr immer dann vor, falls ein Ermittlungsorgan den Willen geäußert hat, dass dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt werden soll (vgl. zum insoweit wortgleichen § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB: Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 78 c Rdn. 3). Solches wird angenommen, wenn der zuständige Beamte der Verwaltungsbehörde verfügt hat, dass dem Betroffenen ein Anhörungsbogen zugesandt werden soll (BGHSt 25, 6, 8) . Eine derartige Verfügung liegt auch vor, wenn der Wille des Sachbearbeiters als elektronischer Befehl zur Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens im Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde niedergelegt w...

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