Leitsatz (amtlich)

1. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung der ZPO vertritt der Senat die Ansicht, dass auch eine an das OLG gerichtete (weitere) außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit nicht mehr in Betracht kommt.

2. Ist auch keine Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 ZPO zulässig, kommt nur eine Selbstkorrektur durch das Ausgangsgericht im Rahmen der Bescheidung einer Gegenvorstellung in Betracht.

 

Normenkette

ZPO §§ 318, 321a, 544, 574

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 7 T 136/02)

 

Tenor

Die Vorlage der außerordentlichen Beschwerde des Beklagten ist unzulässig.

 

Gründe

Die Vorlage der außerordentlichen Beschwerde des Beklagten an das hiesige OLG ist nicht zulässig.

Gegenstand seines als außerordentliche Beschwerde bezeichneten Rechtsmittels ist die Entscheidung des LG, seine sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des AG. Essen wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 577 Abs. 2 S. 1 ZPO a.F. als unzulässig zu verwerfen.

Gegen eine solche zweitinstanzliche Entscheidung des LG ist gem. § 26 Nr. 10 EGZPO n.F. i.V.m. § 574 Abs. 3 und 2 S. 1 ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung als Rechtsmittel die Rechtsbeschwerde mit Zugang zum BGH gegeben, sofern sie vom LG als Beschwerdegericht zugelassen wurde. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist hier nicht erfolgt. Damit ist der Instanzenzug erschöpft.

Die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde in Analogie zu der im Revisionsrecht in § 544 ZPO n.F. vorgesehenen Nichtzulassungsbeschwerde kommt daneben nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke im Beschwerderecht. Die Problematik der Verletzung von Verfahrensverstößen, die auch greifbare Gesetzeswidrigkeiten umfassen, ist vom Gesetzgeber bei der Neuregelung der ZPO bedacht worden. So hat er mit § 321 ZPO n.F. erstmals die Möglichkeit geschaffen, ein unanfechtbares und damit grundsätzlich bindendes Urteil, das auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht, auf eine entsprechende Rüge im Wege der Selbstüberprüfung in derselben Instanz zu korrigieren. Zudem hat er in § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO einen Grund für die Zulassung der Revision eingeführt, der nach der Gesetzesbegründung auch die Verletzung von Verfahrensverstößen umfassen soll (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 104 re.Sp.; BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2001, 901 = NJW 2002, 1577). Für das Verfahren der Rechtsbeschwerde hat der Gesetzgeber unter Hinweis auf die regelmäßig geringere Bedeutung des Beschwerdeverfahrens für die Parteien und zur Entlastung des BGH (BT-Drucks. 14/1477, 116 re.Sp.; BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2001, 901 = NJW 2002, 1577) von einer vergleichbaren Regelung zur Korrektur auch bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten abgesehen. In einem solchen Fall oder bei sonstigen „greifbaren Gesetzeswidrigkeiten”, die sich häufig als Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte darstellen, ist vielmehr die angefochtene Entscheidung auf eine Gegenvorstellung durch das Gericht, das die Verletzung begangen hat, zu korrigieren (BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2001, 901 = NJW 2002, 1577). Zwar erfährt damit die Bindungswirkung des § 318 ZPO eine Einschränkung. Das ist aber insb. bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten gerechtfertigt, weil eine solche Entscheidung auf eine Verfassungsbeschwerde hin aufzuheben wäre und damit letztlich keine Bestandskraft entfalten kann (BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2001, 901 = NJW 2002, 1577, m.zahlr.N.). Abgesehen hiervon ist die Möglichkeit der Selbstkorrektur nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Eröffnung eines weiteren Rechtsmittelzuges vorzuziehen, weil sie außer einer einfachen und ökonomischen Abhilfemöglichkeit auch zu einer Entlastung des BVerfG führt (BT-Drucks. 14/4722, 85 zu § 321a ZPO n.R.).

Mit Rücksicht auf diesen durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 grundlegend neu geschaffenen Rechtszustand hält der BGH seine bisherige, an das alte Verfahrensrecht geknüpfte Rechtsprechung, in Fällen „greifbarer Gesetzeswidrigkeiten” eine außerordentliche Beschwerde zuzulassen, nicht mehr aufrecht. Dem schließt sich der Senat an. Das auf greifbare Gesetzeswidrigkeiten der angefochtenen Entscheidung des LG gestützte Rechtsmittel des Beklagten eröffnet damit nicht den Weg der außerordentlichen Beschwerde zum OLG. Vielmehr unterliegt seine Beschwerde als Gegenvorstellung nach § 321a ZPO n.F. der Überprüfung durch das LG.

Die Sache ist daher nach dort zurückzugeben.

Schnapp Rautenberg Dr. Funke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1106170

JurBüro 2002, 653

MDR 2003, 296

OLGR Hamm 2002, 410

www.judicialis.de 2002

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